Erhält der Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine
Abfindung, die über zwei Veranlagungszeiträume in drei Teilbeträgen ausbezahlt
wird, wird hierfür keine steuerliche Tarifermäßigung gewährt. Denn aufgrund der
Auszahlung in zwei Veranlagungszeiträumen fehlt es an einer Zusammenballung von
Einkünften, die die Anwendung der Tarifermäßigung rechtfertigt.
Hintergrund: Der Gesetzgeber
gewährt in bestimmten Fällen, wie z.B. der Zahlung von Entschädigungen, eine
einkommensteuerliche Tarifermäßigung, um damit die sog. Steuerprogression, d.h.
den höheren Steuersatz, zu mildern, der bei einer Zusammenballung von
Einkünften angewendet wird. Erhält z.B. ein Steuerpflichtiger einige Jahre lang
nicht die vereinbarte Vergütung, wird diese dann aber auf einen Schlag
nachgezahlt, unterliegt die Nachzahlung aufgrund der Zusammenballung der
Einkünfte einem deutlich höheren Steuersatz. Hier hilft dann die
Tarifermäßigung.Sachverhalt: Der Kläger war seit
mehr als 20 Jahren als Arbeitnehmer bei X beschäftigt. Im Jahr 2015 kündigte X
dem Kläger und traf mit dem Kläger eine Vereinbarung, die eine Entschädigung
sowie eine Weiterbeschäftigung in bis zu zwei Beschäftigungsgesellschaften
vorsah. So sollte der Kläger zunächst eine Abfindung i.H. von 115.700 €
erhalten. Anschließend sollte der Kläger bei der Transfergesellschaft A
beschäftigt werden, es sei denn, er würde zuvor einen anderen Arbeitsplatz
finden; in diesem Fall sollte der Kläger eine Zusatzabfindung von 30.000
€ erhalten. Nach Ablauf der Beschäftigung bei der Transfergesellschaft A
sollte der Kläger bei der B, einer anderen Beschäftigungsgesellschaft,
beschäftigt werden. Sofern er die Beschäftigung bei der B nicht antreten würde,
stand dem Kläger eine weitere Abfindung i.H. von 40.000 € zu.
Schließlich sagte der X dem Kläger eine sog. Startprämie i.H. von 1.750
€ monatlich zu, falls der Kläger das Beschäftigungsverhältnis bei der A
vorzeitig kündigt. Der Kläger erhielt im Jahr 2015 die Abfindung i. H. von
115.700 € und im Jahr 2016 insgesamt 59.250 €, nämlich die
Zusatzabfindung von 40.000 €, da der Kläger auf eine Beschäftigung bei
der B verzichtet hatte, sowie eine Startprämie von 19.250 € (11
Zahlungen à 1.750 €), da er vorzeitig bei A ausgeschieden war. Das
Finanzamt gewährte weder für 2015 noch für 2016 die vom Kläger beantragte
Tarifermäßigung.Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Zwar wird für Entschädigungen, die für entgangene oder
entgehende Einnahmen gezahlt werden, grundsätzlich eine Tarifermäßigung
gewährt. Dies setzt aber eine Zusammenballung von
Einkünften voraus, die zu einer höheren steuerlichen
Belastung führt. Denn die Tarifermäßigung soll diese steuerliche Belastung
mildern. Im Streitfall fehlt es an einer Zusammenballung, da der Kläger
die Abfindung (Entschädigung) in zwei Veranlagungszeiträumen erhielt, nämlich
zum einen in Höhe von 115.700 € im Jahr 2015 und zum anderen in Höhe von
59.250 € (40.000 € + 19.250 €) im Jahr 2016.
Die drei Beträge beruhten auf dem Verlust
des Arbeitsplatzes und damit auf demselben
„Schadensereignis“. Dies ergibt sich daraus,
dass alle Abfindungen in derselben Vereinbarung geregelt waren und dass die
weiteren Abfindungen als „Zusatzabfindungen“ bezeichnet waren.
Zwar ist ausnahmsweise die Auszahlung einer Entschädigung in
zwei verschiedenen Jahren unschädlich. Dies gilt allerdings nur, wenn entweder
ein lediglich geringfügiger Teilbetrag in einem weiteren Jahr ausbezahlt wird
oder wenn der Arbeitgeber für eine gewisse Übergangszeit
Entschädigungszusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge auszahlt.
Angesichts der Höhe der im Jahr 2016 ausbezahlten Abfindung von 59.250 €
kann aber weder von einem geringfügigen Teilbetrag noch von einer
Zusatzleistung gesprochen worden. Hinweise: Die Entscheidung
zeigt, dass zeitlich gestaffelte Abfindungen steuerlich nachteilig sind, weil
hierdurch die Tarifermäßigung ausgeschlossen wird. Dieser Nachteil wird
allerdings dadurch etwas ausgeglichen, dass eine Auszahlung über mehrere Jahre
die steuerliche Progression von vornherein mildert. Außerdem kann eine
Vereinbarung wie im Streitfall insgesamt zu einer höheren Abfindung führen,
weil der Arbeitgeber mehrere Anreize für einen Beschäftigungswechsel setzt.
Quelle: BFH, Urteil vom 6.12.2021 – IX R 10/21; NWB