Aktuelles

Monat: Juli 2024

  • Grundsteuerreform: Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwerte

    Grundsteuerreform: Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwerte

    Trägt ein Grundstückseigentümer konkrete Umstände vor, nach denen der im Rahmen der Grundsteuerreform festgestellte Grundsteuerwert den Wert seines Grundstücks erheblich überschreiten und ein entsprechender Nachweis durch ein Sachverständigengutachten geführt werden könnte, ist Aussetzung der Vollziehung des Grundsteuerwertbescheids zu gewähren. Hintergrund: Im Rahmen der Grundsteuerreform werden ca. 36 Mio. Grundstücke neu bewertet. Die Bewertung erfolgt schematisch anhand der Bodenrichtwerte, einer fingierten Restnutzungsdauer und eines typisierten Reinertrags. Der Nachweis eines niedrigeren Wertes durch Vorlage eines Gutachtens ist nicht vorgesehen. In vielen Bundesländern wird das sog. Bundesmodell angewendet, das auch im Streitfall relevant war.Sachverhalt: Der Steuerpflichtige besaß ein ca. 350 qm großes Grundstück in Rheinland-Pfalz, das mit einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 72 qm bebaut war. Das Baujahr des Einfamilienhauses war 1880; seit der Errichtung waren keine wesentlichen Renovierungen mehr vorgenommen. Das Finanzamt stellte den Grundsteuerwert zum 1.1.2022 auf ca. 91.000 € fest. Hiergegen legte der Steuerpflichtige Einspruch ein und beantragte unter Hinweis auf das Baujahr und den Zustand des Hauses die Aussetzung der Vollziehung, die das Finanzamt ablehnte. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt: Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grundsteuerwertes. Denn die Vorschriften über die Bewertung von Grundstücken müssen verfassungskonform ausgelegt werden und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt werden, einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachzuweisen. Zwar ist nach der Grundsteuerreform der Nachweis eines niedrigeren Grundsteuerwertes nicht vorgesehen; ein solcher Nachweis, z.B. durch ein Sachverständigengutachten, muss aber verfassungsrechtlich möglich sein, um eine Übermaßbesteuerung zu vermeiden. Zwar hat der Gesetzgeber angesichts der großen Anzahl zu bewertender Grundstücke einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Allerdings darf es nicht zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung kommen. Der Steuerpflichtige hat im Streitfall Umstände vorgetragen, nach denen der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswertes gelingen könnte. Hierfür sprechen das Baujahr des Hauses und die seit 1880 unterbliebenen Renovierungen. Es ist daher vorstellbar, dass das Grundstück nur mit dem Bodenwert abzüglich etwaiger Freilegungskosten bewertet werden könnte. Es bestehen Zweifel, dass sich mit dem Gebäude die gesetzlich typisierten Mieterträge erzielen lassen, die im Streitfall mit jährlich 3.635 € angesetzt wurden.Hinweise: Der Steuerpflichtige hat im Streitfall kein Sachverständigengutachten vorgelegt. Für die Aussetzung der Vollziehung genügt es, dass er Umstände vorgetragen hat, die es möglich erscheinen lassen, dass ein Sachverständigengutachten zu einem niedrigeren gemeinen Wert gelangt. In seiner bisherigen Rechtsprechung geht der BFH von einem Verstoß gegen das Übermaßverbot aus, wenn der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren Wert (sog. gemeinen Wert) um 40 % oder mehr übersteigt. Die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grundsteuerwertbescheids führt im Ergebnis dazu, dass im vorliegenden Fall im Umfang der Aussetzung zunächst keine Grundsteuer gezahlt werden muss. Die Aussetzung der Vollziehung ist jedoch nur eine vorläufige Entscheidung; die endgültige Entscheidung wird im Klageverfahren gegen den Grundsteuerwertbescheid getroffen. Der aktuelle Beschluss betrifft das sog. Bundesmodell, das in der Mehrzahl der Bundesländer anwendbar ist. Einige Bundesländer (u.a. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen) haben von der gesetzlichen Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und wenden das Bundesmodell nicht an. Der BFH hat sich nicht dazu geäußert, ob sich seine aktuellen Ausführungen auch auf die Ermittlung des Grundsteuerwerts in diesen Bundesländern übertragen lassen. Quelle: BFH, Beschluss vom 27.5.2024 – II B 78/23 (AdV); NWB

  • Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Nebenleistungen eines Hotels?

    Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Nebenleistungen eines Hotels?

    Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss entscheiden, ob für Nebenleistungen eines Hotels der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %, der auch für die Übernachtung gilt, oder aber der reguläre Steuersatz von 19 % anwendbar ist, so dass das Gesamtentgelt aufzuteilen ist in ein Entgelt für die Zimmerüberlassung (7 %) und in ein Entgelt für die Nebenleistungen (19 %). Der Bundesfinanzhof (BFH) ist zwar für eine Aufteilung, hält es allerdings für möglich, dass der EuGH das gesetzliche Aufteilungsgebot als europarechtswidrig ansieht. Hintergrund: Hotelübernachtungen werden nach deutschem Recht mit lediglich 7 % Umsatzsteuer besteuert. Nach dem Gesetz gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen im Hotelpreis enthalten sind; erforderlich ist danach eine Aufteilung des Entgelts, wenn der Hotelpreis auch Nebenleistungen umfasst. Die Aufteilung von Entgelten ist vom EuGH in der jüngeren Vergangenheit aber in anderem Zusammenhang abgelehnt worden. Sachverhalt: Der BFH musste über drei Fälle entscheiden, die jeweils ein Hotel bzw. eine Pension betrafen. In dem ersten Fall bot das Hotel optional ein Frühstück zum Preis von 4,50 € an; im Hotelpreis war aber ein Parkplatz enthalten. Im zweiten Fall waren im Übernachtungspreis ebenfalls ein Parkplatz sowie das zur Verfügung gestellte WLAN und der Fitness- und Wellnessbereich enthalten. Im dritten Fall gehörte zur Übernachtung ein Frühstück, das nicht abgewählt werden konnte. Das Finanzamt wandte in allen Fällen den ermäßigten Umsatzsteuersatz nur für die eigentliche Übernachtung an und teilte den jeweiligen Zimmerpreis auf die eigentliche Übernachtungsleistung (7 %) und auf die Nebenleistung(en) (19 %) auf. Hiergegen wehrten sich die drei Hotel- bzw. Pensionsbetreiber. Entscheidung: Der BFH hat dem EuGH die Streitfragen zur Entscheidung vorgelegt, soweit es um den Steuersatz der im Hotelpreis enthaltenen Nebenleistungen geht: Bietet das Hotel zusätzlich zur Übernachtung eine Leistung an, die weder hinzugebucht noch abgewählt werden kann, sondern zwingend enthalten ist, handelt es sich um eine Nebenleistung zur Hauptleistung (Übernachtung). Denn diese Nebenleistung ist eng mit der Übernachtung verbunden und im Preis enthalten. Nach deutschem Recht besteht ein Aufteilungsgebot, weil der ermäßigte Umsatzsteuersatz nur für die Zimmervermietung gewährt wird, nicht aber für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen wie im ersten und zweiten Fall der Hotelparkplatz, im zweiten Fall die Bereitstellung des WLAN und der Fitness- und Wellnessbereichs sowie im dritten Fall das Frühstück. Aus der aktuellen Rechtsprechung des EuGH könnte sich aber ergeben, dass ein Aufteilungsgebot gegen das Europarecht verstößt. Dem EuGH zufolge darf nämlich eine einheitliche Leistung, die aus einer Hauptleistung und aus einer Nebenleistung besteht und bei der unterschiedliche Umsatzsteuersätze für die Haupt- und Nebenleistung gelten, nicht aufgeteilt werden – der Umsatzsteuersatz für die Hauptleistung gilt dann für die gesamte Leistung. Hieraus könnte sich der Schluss ergeben, dass das deutsche Aufteilungsgebot unzulässig ist. Hinweise: Der EuGH muss nun entscheiden, ob das deutsche Aufteilungsgebot gilt oder ob es wegen Verstoßes gegen das Europarecht nicht anwendbar ist. Das Vorabentscheidungsersuchen hat Bedeutung für Nebenleistungen, die weder hinzugebucht noch abgewählt werden können. Kann jedoch die Leistung wie z.B. das Frühstück im ersten Fall zu- oder abgewählt werden, handelt es sich nicht um eine Nebenleistung, sondern um eine eigenständige Leistung, die in jedem Fall dem regulären Steuersatz von 19 % unterliegt.Quelle: BFH, Beschlüsse vom 10.1.2024 – XI R 11/23 (XI R 34/20); XI R 13/23 (XI R 7/21) sowie XI R 14/23 (XI R 22/21); NWB

  • Kein einheitlicher Gewerbebetrieb bei Gewächshausprojektierung und Pflanzenzucht

    Kein einheitlicher Gewerbebetrieb bei Gewächshausprojektierung und Pflanzenzucht

    Ein Unternehmer, der zum einen Gewächshäuser plant und projektiert und zum anderen eine Pflanzenzucht mit exotischen Pflanzen betreibt, hat zwei selbständige Gewerbebetriebe. Es handelt sich nicht um einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Daher kann der Verlust des einen Betriebs nicht mit dem Gewinn des anderen Betriebs verrechnet werden. Hintergrund: Gewerbesteuerlich wird jeder einzelne Gewerbebetrieb selbständig behandelt, so dass für jeden Gewerbebetrieb ein eigener Gewerbesteuermessbescheid ergeht. Sachverhalt: Der Kläger betrieb seit September 2013 ein Unternehmen im Bereich der Planung und Projektierung von Gewächshäusern. Ab November 2013 meldete er eine Pflanzenzucht für exotische Pflanzen an. Mit der Pflanzenzucht erzielte der Kläger in den Streitjahren 2014 und 2015 Verluste; hingegen erwirtschaftete er mit der Gewächshausplanung Gewinne. Der Kläger verrechnete die Verluste des Pflanzenzuchtunternehmens mit den Gewinnen aus der Gewächshausplanung. Dies akzeptierte das Finanzamt nicht. Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Eine Verrechnung der Verluste, die mit der Pflanzenzucht erzielt wurden, mit Gewinnen aus der Gewächshausplanung und -projektierung war nicht zulässig, weil es sich um zwei selbständige Gewerbebetriebe handelte und nicht um einen einheitlichen Gewerbebetrieb. Bei der Frage, ob ein einheitlicher Gewerbebetrieb vorliegt, kommt der Gleichartigkeit der Betätigungen wesentliche Bedeutung zu. Eine gleichartige Betätigung spricht in der Regel für einen einheitlichen Betrieb, so dass der Verlust des einen Bereichs mit dem Gewinn aus dem anderen Bereich verrechnet werden kann. Bei Ungleichartigkeit der Betätigungen kann hingegen nur ausnahmsweise von einem einheitlichen Betrieb ausgehen. Im Streitfall waren die Betätigungen ungleichartig: So führten beide Betätigungen zu unterschiedlichen Einkünften; aus der Gewächshausplanung und -projektierung ergaben sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, während die Pflanzenzucht zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führte. Beide Tätigkeiten wandten sich auch an unterschiedliche Kundenbereiche. Die Gewächshausplanung und -projektierung erfolgte für gewerbliche Kunden, die gezüchteten Pflanzen sollten hingegen an Privatkunden verkauft werden. Schließlich war die Pflanzenzucht auch nicht notwendig für die Gewächshausplanung und -projektierung. Hinweise: Die Verluste aus dem Pflanzenzuchtbetrieb können somit nicht mit den Gewinnen aus der Gewächshausplanung und -projektierung verrechnet werden. Es ergeht vielmehr für jeden Betrieb ein eigener Gewerbesteuermessbescheid, wobei sich aus dem Bescheid für die Pflanzenzucht aufgrund der Verluste in beiden Streitjahren jeweils ein Messbetrag von 0 € ergibt. Zudem wird der Verlust aus der Pflanzenzucht gesondert zum 31.12. eines jeden Jahres festgestellt, so dass er mit künftigen Gewinnen aus der Pflanzenzucht verrechnet werden kann. Ein Verlustrücktrag ist bei der Gewerbesteuer nicht möglich, sondern nur bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Quelle: FG Münster, Urteil vom 29.11.2023 – 13 K 986/21; NWB