Aufwendungen für künstliche Befruchtung und Präimplantationsdiagnostik als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen einer Frau für eine Präimplantationsdiagnostik mit
anschließender künstlicher Befruchtung aufgrund einer Chromosomenmutation ihres
Partners sind als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Dies gilt auch dann,
wenn die Betroffenen nicht miteinander verheiratet sind.

Hintergrund: Aufwendungen, die
dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die
notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen
abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind
Krankheitskosten.

Sachverhalt: Die Klägerin war
nicht verheiratet. Ihr Freund litt unter einer Chromosomenmutation, die mit
hoher Wahrscheinlichkeit dazu geführt hätte, dass ein auf natürliche Weise
gezeugtes Kind an schwersten körperlichen oder geistigen Behinderungen gelitten
hätte oder sogar nicht überlebt hätte. Die Klägerin und ihr Partner
entschlossen sich zu einer künstlichen Befruchtung mit einer
Präimplantationsdiagnostik (PID), die die chromosomale Fehlstellung
ausschließen sollte. Die Ärztekammer stimmt der PID zu. Die Klägerin begehrte
die Berücksichtigung der ihr in Rechnung gestellten Aufwendungen (ca. 23.000
€), soweit sie von ihr selbst getragen worden waren (ca. 9.300
€), als außergewöhnliche Belastungen für 2019. Das Finanzamt lehrnt
einen Anzug der Kosten ab.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt:

  • Die Aufwendungen der Klägerin waren Krankheitskosten. Zu den
    Krankheitskosten gehören nicht nur Aufwendungen, die zur Heilung führen,
    sondern auch Aufwendungen, mit denen die Folgen der Erkrankung
    gemildert bzw. „umgangen“
    werden. Hierzu gehören
    die Kosten für eine künstliche Befruchtung, wenn eine natürliche Zeugung aus
    Krankheitsgründen eines der beiden Partner nicht möglich ist.

  • Für die steuerliche Berücksichtigung der Behandlungskosten ist
    es unschädlich, dass die Behandlung auch bei der gesunden Klägerin erfolgt ist.
    Denn allein eine Behandlung des kranken Partners würde nicht zur Linderung der
    Krankheit führen.

  • Ferner ist es nach der Rechtsprechung des BFH unschädlich,
    dass die Klägerin und ihr Partner nicht verheiratet waren.

  • Im Streitfall stand die künstliche Befruchtung sowie die PID
    zudem auch im Einklang mit der Berufsordnung der Ärzte, und die Ärztekammer hat
    die erforderliche Zustimmung erteilt.

Hinweise: Steuerlich werden
künstliche Befruchtungen nicht berücksichtigt, wenn sie nach deutschem Recht
verboten sind und insbesondere gegen das sog. Embryonenschutzgesetz verstoßen.
Hierauf sollte insbesondere geachtet werden, falls die künstliche Befruchtung
im Ausland durchgeführt wird. Dies bedeutet nämlich nicht zwingend, dass sie im
Inland erlaubt wäre; ein steuerlicher Abzug wäre dann ausgeschlossen.

Die genetische Untersuchung eines außerhalb des Körpers erzeugten
Embryos ist zwar grundsätzlich unzulässig. Dies gilt aber nicht, wenn aufgrund
einer genetischen Disposition des Mannes ein hohes Risiko einer schwerwiegenden
Erbkrankheit besteht. Es müssen dann noch verschiedene weitere Voraussetzungen
erfüllt werden, z.B. eine vorherige Aufklärung und Beratung oder eine Prüfung
und Zustimmung der zuständigen Ethikkommission.

Quelle: BFH, Urteil vom 29.2.2024 – VI R 2/22; NWB