Verkauft ein Gesellschafter einer unternehmerisch tätigen
Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) seinen Mitunternehmeranteil, kann
er seinen Veräußerungsgewinn durch eine Rücklage neutralisieren, soweit der
Gewinn auf Immobilien entfällt. Ob diese Rücklage zulässig ist, entscheidet das
für die Gewinnfeststellung der Mitunternehmerschaft zuständige Finanzamt.
Tätigt der ausgeschiedene Mitunternehmer innerhalb der vierjährigen
Reinvestitionsfrist keine begünstigte Investition (z.B. in seinem
Einzelunternehmen), muss die Rücklage gewinnerhöhend unter Erhöhung eines sog.
Gewinnzuschlags aufgelöst werden; über die gewinnerhöhende Auflösung
entscheidet das für die Einkommensteuer des ausgeschiedenen Mitunternehmers
zuständige Finanzamt. Hintergrund: Bestimmte
Veräußerungsgewinne, z.B. aus dem Verkauf von Immobilien, können durch eine
Rücklage zunächst neutralisiert werden. Der Steuerpflichtige hat dann
grundsätzlich vier Jahre Zeit, eine begünstigte Investition zu tätigen, z.B.
eine neue Immobilie anzuschaffen. Er kann dann die Rücklage von den
Anschaffungskosten des neuen Wirtschaftsguts abziehen, so dass sich die
Abschreibungen auf das neue Wirtschaftsgut mindern. Unterbleibt die
Investition, wird die Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst und um einen sog.
Gewinnzuschlag von 6 % für jedes Jahr, in dem die Rücklage bestand,
erhöht.Sachverhalt: Der Kläger war
Mitunternehmer der A-KG. Er veräußerte am 30.6.2006 seinen Mitunternehmeranteil
an der A-KG. Der Veräußerungsgewinn entfiel in vollem Umfang auf Immobilien, so
dass der Kläger seinen Veräußerungsgewinn durch eine Rücklage neutralisieren
konnte. Allerdings geriet er mit der A-KG in Streit, die keine Rücklage für den
Kläger bilden wollte. Der Kläger legte daher gegen den
Gewinnfeststellungsbescheid für die A-KG für 2006 Einspruch ein und hatte
Erfolg; allerdings dauerte dies bis zum Jahr 2017, so dass erst im November
2017 ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid für 2006 erging, in dem die
Rücklage berücksichtigt wurde. Der Kläger hatte im vierjährigen
Reinvestitionszeitraum 2007 bis 2010 keine Investition getätigt, so dass die
Rücklage im Jahr 2010 gewinnerhöhend aufgelöst werden musste. Das für die A-KG
zuständige Finanzamt informierte das Wohnsitzfinanzamt des Klägers, das im
Oktober 2018 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 erließ, in dem
es die Rücklage gewinnerhöhend auflöste und um einen Gewinnzuschlag von 6 %
jährlich erhöhte. Der Kläger wehrte sich gegen den geänderten
Einkommensteuerbescheid.Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: Der Kläger durfte im Feststellungszeitraum 2006 seinen Gewinn
aus der Veräußerung seines KG-Anteils durch eine Rücklage neutralisieren; denn
der Gewinn beruhte ausschließlich auf den stillen Reserven der Immobilien der
A-KG. Die Rücklage war in der Sonderbilanz des Klägers bei der A-KG zu bilden.
Die Entscheidung, ob eine Rücklage nach § 6b EStG zulässig
ist, war von dem für die Gewinnfeststellung der A-KG zuständigen Finanzamt zu
treffen. Diese Entscheidung hat das für die A-KG zuständige Finanzamt aufgrund
des Einspruchs des Klägers im November 2017 getroffen. Die Rücklage war im Jahr 2010 gewinnerhöhend aufzulösen, da
der Kläger die Reinvestition nicht innerhalb der
Reinvestitionsfrist durchgeführt hat. Die Entscheidung über
die Auflösung der Rücklage war von dem für die Einkommensteuer des Klägers
zuständigen Finanzamt zu treffen. Die Entscheidung über die Auflösung der
Rücklage konnte nicht im Gewinnfeststellungsverfahren der Personengesellschaft
für 2010 getroffen werden, weil der Kläger im Jahr 2010 nicht mehr an der A-KG
beteiligt war. Das für den Kläger zuständige Finanzamt durfte daher den
Einkommensteuerbescheid des Klägers für 2010 ändern und nachträgliche
gewerbliche Einkünfte aufgrund der Auflösung der Rücklage und des
Gewinnzuschlags ansetzen. Hinweise: Die Änderung des
Einkommensteuerbescheids konnte aufgrund einer sog. widerstreitenden
Steuerfestsetzung erfolgen. Denn infolge der Änderung des
Gewinnfeststellungsbescheids der A-KG für 2006, in dem nun eine Rücklage in der
Sonderbilanz des Klägers angesetzt wurde, ergab sich ein Widerstreit, d.h.
Widerspruch, zum Einkommensteuerbescheid 2010, weil in diesem eine Rücklage
nicht aufgelöst worden war. Das Gesetz sieht in einem solchen Fall eine
Änderungsmöglichkeit vor, die zudem eine eigenständige Verjährungsregelung
enthält. Hätte sich der Kläger im Jahr 2006 gegen die Bildung einer Rücklage
entschieden, wäre zwar im Jahr 2006 ein Veräußerungsgewinn entstanden; dieser
Veräußerungsgewinn wäre aber tarifbegünstigt gewesen, so dass die steuerliche
Belastung etwas niedriger ausgefallen wäre. Von dieser Tarifermäßigung konnte
der Kläger im Jahr 2010 bei seinem Gewinn aus der Auflösung der Rücklage nicht
mehr profitieren. Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – X R 14/21; NWB