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Autor: g.weecke@wbml.de

  • Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs

    Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs

    Die Grunderwerbsteuer für einen grunderwerbsteuerbaren Verkauf wird aufgehoben, wenn der Verkauf innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht wird und der Verkauf innerhalb der gesetzlichen Anzeigefrist der Grunderwerbsteuerstelle des Finanzamts angezeigt worden war. Dabei genügt es, wenn der Notar den Verkauf innerhalb der für den Steuerschuldner geltenden Anzeigefrist angezeigt hat. Hintergrund: Die Grunderwerbsteuer entsteht grundsätzlich mit Abschluss eines Grundstückskaufvertrags oder bei einem Verkauf von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft, wenn dadurch bestimmte Beteiligungsquoten überschritten bzw. erreicht werden. Der Gesetzgeber lässt bei Rückgängigmachung des Grundstückskaufvertrags innerhalb von zwei Jahren eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer zu. Die Grunderwerbsteuer kann aber nur dann aufgehoben werden, wenn der Erwerbsvorgang fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, und in allen Teilen vollständig angezeigt worden ist. Sachverhalt: Die Klägerin war im Jahr 2016 an einer grundbesitzenden GmbH mit 90,1 % beteiligt. Weitere Gesellschafterin war eine AG mit einer Beteiligung von 9,9 %. Mit notariellem Vertrag vom 22.12.2016 verkaufte die AG ihre Beteiligung an der GmbH an die Klägerin; dieser Verkauf war grunderwerbsteuerbar. Der Verkauf musste aber noch von einem weiteren Vorstandsmitglied der AG genehmigt werden. Die Genehmigung wurde am 23.12.2016 erteilt und ging am 30.12.2016 beim Notar ein. Der Notar übersandte eine Veräußerungsanzeige an das für die Körperschaftsteuer zuständige Finanzamt, das die Unterlagen an das für die Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt weiterleitete, wo sie am 12.1.2017 eingingen. Das Finanzamt setzte daraufhin Grunderwerbsteuer fest. Am 12.6.2018 wurde der Anteilsverkauf rückgängig gemacht. Die Klägerin beantragte die Aufhebung der Grunderwerbsteuer; das Finanzamt lehnte dies ab, weil der Anteilsverkauf vom 22.12.2016 nicht innerhalb von zwei Wochen angezeigt worden sei. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hob die Grunderwerbsteuer auf und gab der Klage statt: Eine Aufhebung der Grunderwerbsteuer ist nicht nur bei der Rückgängigmachung eines Grundstückskaufvertrags, sondern auch bei der Rückgängigmachung eines Anteilskaufvertrags möglich. Entgegen der Auffassung des Finanzamts ist der Anteilsverkauf vom 22.12.2016 fristgerecht, d.h. innerhalb von zwei Wochen, und vollständig angezeigt worden. Es genügt nämlich, wenn einer von mehreren Anzeigeverpflichteten (Notar oder Steuerschuldner) der Anzeigepflicht ordnungsgemäß und fristgerecht nachkommt. Zwar hat der Notar seine eigene Anzeigepflicht nicht fristgerecht erfüllt; denn er hätte innerhalb von zwei Wochen, nach dem 22.12.2016, dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt die Veräußerungsanzeige übersenden müssen; dort ist sie aber erst am 12.1.2017 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist eingegangen. Jedoch hat der Notar die Anzeigepflicht der Klägerin erfüllt; denn für die Klägerin begann die Zwei-Wochen-Frist erst mit der Kenntnisnahme von der am 30.12.2016 beim Notar eingegangenen Genehmigung des Vertrags durch das weitere Vorstandsmitglied. Mit dem Eingang der Veräußerungsanzeige am 12.1.2017 bei dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt ist die Anzeige damit innerhalb der für die Klägerin als Steuerschuldnerin geltenden Anzeigefrist eingegangen. Hinweise: Im Ergebnis hat der Notar die Anzeigepflicht der Klägerin innerhalb der für die Klägerin geltenden Anzeigefrist erfüllt. Dies war möglich, weil es zwei unterschiedliche Anzeigepflichten gab, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten begannen, nämlich für den Notar mit dem Anteilskaufvertrag und für die Klägerin mit der Kenntnisnahme von der Genehmigung durch das Vorstandsmitglied. Dies wäre beinahe noch schiefgegangen, weil der Notar die Veräußerungsanzeige an das falsche Finanzamt übersandt hat, nämlich an das für die Körperschaftsteuer zuständige Finanzamt; es genügte jedoch, dass dieses die Anzeige an das Grunderwerbsteuer-Finanzamt weiterleitete und die Anzeige dort vor Ablauf der Frist einging. Die Erfüllung der Anzeigepflicht als Voraussetzung für die Aufhebung der Grunderwerbsteuer soll dem Anreiz entgegenwirken, die Anzeige zu unterlassen und damit einer Besteuerung des Grundstückskaufvertrags oder Anteilskaufvertrags zu entgehen. Quelle: BFH, Urteil vom 21.6.2023 – II R 2/21; NWB

  • Aufwendungen eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares für Leihmutter nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

    Aufwendungen eines gleichgeschlechtlichen Ehepaares für Leihmutter nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar

    Ein gleichgeschlechtliches Ehepaar kann die Kosten für eine Leihmutter, die in den USA das Kind des einen Ehegatten nach vorheriger künstlicher Befruchtung der Eizelle einer anderen Frau austrägt, nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzen. Denn die ungewollte Kinderlosigkeit des gleichgeschlechtlichen Ehepaares ist nicht krankheitsbedingt, sondern beruht auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung.Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten.Sachverhalt: Die Kläger waren zwei Männer, die im Streitjahr 2017 heirateten und zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Einer der beiden Männer ließ die Eizelle einer in den USA lebenden Frau künstlich befruchten. Anschließend wurde diese befruchtete Eizelle einer anderen in den USA lebenden Frau als sog. Leihmutter eingesetzt, die das Kind austrug und anschließend den Klägern übergab. Die Kläger machten die Aufwendungen für die Leihmutterschaft als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an, weil eine Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Zwar gehören Krankheitskosten zu den außergewöhnlichen Belastungen, jedoch waren die Kläger nicht krank. Ihre ungewollte Kinderlosigkeit war nicht Folge einer Erkrankung eines der beiden Ehegatten, sondern Folge der biologischen Grenzen der Fortpflanzung. Die Anerkennung als außergewöhnliche Belastungen folgt auch nicht daraus, dass der andere Ehegatte, der nicht an der künstlichen Befruchtung beteiligt war, nach eigenen Angaben unter dem unerfüllten Kinderwunsch psychisch litt. Denn eine Ersatzmutterschaft kann nicht als medizinisch indizierte Heilbehandlung zur Heilung einer seelischen Erkrankung angesehen werden; zudem würde dies das Kind zu einem bloßen medizinischen Heilmittel herabwürdigen, das zur Linderung einer seelischen Krankheit eingesetzt wird. Außerdem ist der Abzug als außergewöhnliche Belastung deshalb ausgeschlossen, weil die Leihmutterschaft mit deutschem Recht zum Schutz von Embryonen nicht vereinbar ist. Nach deutschem Recht darf nämlich auf eine Frau keine Eizelle einer anderen Frau zwecks reproduktionsmedizinischer Behandlung übertragen werden. Ebenso ist es verboten, dass eine Ersatz- bzw. Leihmutter ihr Kind nach der Geburt einem Dritten auf Dauer überlässt. Hinweis: Der BFH hat keine verfassungsrechtlichen Zweifel an dem Verbot der Ersatzmutterschaft und der Eizellenspende. Denn das Verbot dient der Verhinderung einer Aufspaltung der Mutterschaft in eine genetische Mutter und eine austragende Mutter. Quelle: BFH, Urteil vom 10.8.2023 – VI R 29/21; NWB

  • Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: Oktober 2023)

    Umsatzsteuer-Umrechnungskurse (Stand: Oktober 2023)

    Das Bundesfinanzministerium hat die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse für den Monat Oktober 2023 bekannt gegeben. Die monatlich fortgeschriebene Übersicht 2023 können Sie auf der Homepage des BMF abrufen.Quelle: BMF, Schreiben v. 1.11.2023 – III C 3 – S 7329/19/10001 :005 (2023/1035752); NWB

  • Erbschaftsteuer: Einkommensteuer für rückwirkend von den Erben erklärte Betriebsaufgabe ist keine Nachlassverbindlichkeit

    Erbschaftsteuer: Einkommensteuer für rückwirkend von den Erben erklärte Betriebsaufgabe ist keine Nachlassverbindlichkeit

    Die Einkommensteuer, die aufgrund einer von den Erben nach dem Tod des Erblassers und Betriebsinhabers rückwirkend erklärten Betriebsaufgabe entsteht, ist keine erbschaftsteuerliche Nachlassverbindlichkeit. Sie mindert daher nicht die Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer. Hintergrund: Bei der Erbschaftsteuer mindert sich der Wert des Nachlasses um Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehört u.a. auch die Einkommensteuer, die auf Einkünfte des Erblassers entfällt. Sachverhalt: Die Kläger waren Miterben des im Jahr 2016 verstorbenen Erblassers E, der bis zu seinem Tod einen Bauernhof betrieben hatte. Nach dem Tod des E erklärten die Erben eine Betriebsaufgabe für den Bauernhof, und zwar drei Monate rückwirkend; eine solche Rückwirkung ist gesetzlich möglich. Hierdurch kam es zu einem einkommensteuerlichen Aufgabegewinn mit einer entsprechenden Einkommensteuer des Erblassers für 2016. Die Kläger machten diese Einkommensteuer als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer geltend. Das Finanzamt erkannte die Nachlassverbindlichkeit nicht an. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Zwar gehört zu den Nachlassverbindlichkeiten auch die Einkommensteuer des Erblassers, wenn sie entweder bis zum Tod des Erblassers festgesetzt worden ist, oder aber wenn sie auf Einkünfte des Erblassers entfällt, die dieser bis zu seinem Tod erzielt hat. Im Streitfall waren diese Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt. Denn weder war die Einkommensteuer für 2016 für E vor seinem Tod festgesetzt worden, noch hatte der Erblasser den Aufgabegewinn erzielt. Die Einkommensteuer auf den Aufgabegewinn war nämlich erst aufgrund der rückwirkend von den Klägern erklärten Betriebsaufgabe entstanden. E selbst hatte keine Aufgabeerklärung bis zu seinem Tod abgegeben, so dass der Bauernhof mit seinem Tod auf die Kläger als Miterben überging. Hinweise: Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn der Erblasser noch den Tatbestand für die Entstehung der Einkommensteuer selbst verwirklicht hätte, die Höhe der Einkommensteuer im Todeszeitpunkt aber noch nicht genau festgestanden hätte, weil die Erben noch mögliche steuerliche Wahlrechte ausüben konnten. Der Streitfall unterschied sich jedoch hiervon, weil es erst durch die von Miterben erklärte Betriebsaufgabe zu einem rückwirkenden Aufgabegewinn gekommen ist. Quelle: BFH, Urteil vom 10.5.2023 – II R 3/21; NWB

  • Aufrechnung des Finanzamts bei der umsatzsteuerlichen Rückabwicklung der sog. Bauträger-Fälle

    Aufrechnung des Finanzamts bei der umsatzsteuerlichen Rückabwicklung der sog. Bauträger-Fälle

    Hat ein Bauunternehmer bis 2013 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht, der eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft darstellt, und ist hierbei einvernehmlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren angewendet worden, so dass der Organträger die Umsatzsteuer für den Bauunternehmer an das Finanzamt abgeführt hat, kann der Organträger vom Finanzamt die Erstattung dieser Umsatzsteuer verlangen, da der BFH im Jahr 2013 die Nichtanwendbarkeit des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen an Bauträgern festgestellt hat. In diesem Fall kann sich das Finanzamt aber von dem Bauunternehmer dessen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags abtreten lassen, und mit diesem Anspruch gegen einen Steuererstattungsanspruch des Bauträgers aufrechnen. Diese Abtretung und Aufrechnung sind trotz der umsatzsteuerlichen Organschaft möglich.Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach Auffassung der Finanzverwaltung galt dies ursprünglich auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) aber, dass bei Bauleistungen an einen Bauträger das Reverse-Charge-Verfahren nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer. Die Finanzämter versuchten nun, die Umsatzsteuer von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat daraufhin die Rückabwicklung dieser Fälle gesetzlich geregelt und u.a. eine Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs des Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags auf die Bauleistungen vorgesehen.Sachverhalt: Die Klägerin war Bauträgerin und eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft des Organträgers U. Das heißt, dass U die Umsatzsteuer auf Leistungen der Klägerin sowie auf Leistungen, die an die Klägerin erbracht wurden, und dem Reverse-Charge-Verfahren unterlagen, entrichtete. Der Bauunternehmer B erbrachte bis 2013 Bauleistungen an die Klägerin, auf die die Klägerin und B einvernehmlich, und auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung, das sog. Reverse-Charge-Verfahren anwandten, so dass U als Organträger der Klägerin die Umsatzsteuer für B abführte. Im Jahr 2013 entschied der BFH, dass das Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen an einen Bauträger nicht gilt. Daraufhin beantragte U im Jahr 2014 die Erstattung der von ihm für B entrichteten Umsatzsteuer. Das Finanzamt nahm nun B für die Umsatzsteuer in Anspruch, der daraufhin seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags an das Finanzamt abtrat. Das Finanzamt rechnete mit diesem zivilrechtlichen Anspruch im Jahr 2016 gegen Körperschaftsteuererstattungsansprüche der Klägerin für 2015 und 2016 auf. Die Klägerin wehrte sich gegen die Aufrechnung.Entscheidung: Der BFH wies die Klage ab: Die Voraussetzungen der Aufrechnung lagen vor. Das Finanzamt hatte im Wege der Abtretung von B dessen zivilrechtlichen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags, der aufgrund der Bauleistungen entstand, erworben: B hatte Bauleistungen an die Klägerin erbracht und keinen Nettopreis vereinbart. Vielmehr gingen B und die Klägerin davon aus, dass die Klägerin bzw. deren Organträger U die Umsatzsteuer für B an das Finanzamt abführt. Nach der Zivilrechtsprechung des Bundesgerichtshofs lebt der zivilrechtliche Anspruch des Bauunternehmers auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags aber wieder in dem Moment auf, in dem der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nach der Veröffentlichung des BFH-Urteils im Jahr 2013 vom Finanzamt zurückfordert. Das Finanzamt hatte diesen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags im Wege der Abtretung von B erworben und konnte mit diesem Anspruch gegen die Körperschaftsteuererstattungen der Klägerin aufrechnen. Das Finanzamt kann auch mit einer bestrittenen Forderung aufrechnen, wenn sich – wie hier – herausstellt, dass die Forderung, d.h. der zivilrechtliche Anspruch auf Zahlung des Umsatzsteuerbetrags besteht. Unbeachtlich ist, dass nicht die Klägerin die Erstattung der Umsatzsteuer vom Finanzamt gefordert hat, sondern der Organträger U; denn als Organträger war U umsatzsteuerlicher Leistungsempfänger und musste daher aufgrund der einvernehmlichen Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen. Dementsprechend konnte jetzt auch nur U die Umsatzsteuer wieder zurückfordern, weil das Reverse-Charge-Verfahren nach dem BFH-Urteil im Jahr 2013 nicht hätte angewendet werden dürfen. Hinweise: Der Fall hat die Besonderheit, dass auf Seiten des Leistungsempfängers (Klägerin) eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand, so dass auch noch U als Organträger umsatzsteuerlich beteiligt war. Der BFH macht nun deutlich, dass es für die Aufrechnung keine Rolle spielt, dass U weder an der Abtretung noch an der Aufrechnung beteiligt war. Die Klägerin erhält zwar nun keine Körperschaftsteuererstattungen, während dem U die Umsatzsteuer erstattet wird; nach dem BFH kann hier aber ein interner Gesamtschuldnerausgleich unter den Organschaftsmitgliedern (U und Klägerin) in Betracht kommen. Quelle: BFH, Urteil vom 24.5.2023 – XI R 45/20; NWB

  • Passivierung erhaltener Zahlungen bei einer Immobilienentwicklungsgesellschaft

    Passivierung erhaltener Zahlungen bei einer Immobilienentwicklungsgesellschaft

    Erhält eine Immobilienentwicklungsgesellschaft für ihre Tätigkeit ein pauschales Tätigkeitshonorar, das sich an der Höhe der Gesamtinvestition orientiert und das in monatlichen Raten ausgezahlt wird, dürfen die monatlichen Zahlungen nur insoweit durch einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten gewinnneutral erfasst werden, als die Zahlungen Ertrag für eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen. Dies setzt voraus, dass die Zuordnung der Zahlungen zu einer bestimmten Zeit auf allgemein-gültigen Maßstäben beruht; eine bloße Schätzung der zeitlichen Komponente durch die Immobilienentwicklungsgesellschaft genügt nicht. Hintergrund: Ein bilanzierender Kaufmann muss Einnahmen, die ihm vor dem Bilanzstichtag zufließen, und die aber Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, passivisch abgrenzen und einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten bilden. Dieser Posten wird dann im nächsten Wirtschaftsjahr, dem der Ertrag zuzuordnen ist, gewinnerhöhend aufgelöst. Ein typisches Beispiel hierfür ist eine Mieteinnahme, die dem Kaufmann, der einen Teil seiner Geschäftsräume vermietet, im Dezember für den Januar des Folgejahres zufließt. Sachverhalt: Die Klägerin war eine Immobilienentwicklungsgesellschaft, die zu einem Konzern gehörte und für andere Konzerngesellschaften Bauprojekte entwickelte. Hierfür erhielt sie Tätigkeitshonorar in Höhe von 6 % der Gesamtinvestitionskosten, das in monatlichen Raten auf der Grundlage der voraussichtlichen Bauzeit ausgezahlt wurde. Je nach Projekt erhielt die Klägerin zwischen 12 und 30 Raten. Die Klägerin unterteilte ihre Entwicklungsleistung in fünf Phasen und ordnete diesen Phasen jeweils einen Zeitraum und einen Anteil am Gesamthonorar zu (z.B. 15 % für die Projektinitiierung, 35 % für die Vorbereitungsphase). Dem sich danach ergebenden Anteil und Zeitraum für die jeweilige Phase stellte sie die monatlichen Raten gegenüber; soweit die gezahlten Raten höher waren, bildete die Klägerin zum 31.12.2008 einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten, der zum 31.12.2008 ca. 5 Mio. € betrug und den Gewinn für 2008 nicht erhöhte. Das Finanzamt erkannte den Rechnungsabgrenzungsposten ebenso wenig an wie eine hilfsweise passivierte erhaltene Anzahlung. Allerdings berücksichtigte das Finanzamt eine Rückstellung aufgrund eines sog. Erfüllungsrückstands in Höhe von 2,5 Mio. €.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab, die auf eine gewinnneutrale Passivierung von insgesamt 5 Mio. € gerichtet war: Die Klägerin durfte einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten nicht bilden. Denn dieser setzt voraus, dass die monatlich geleisteten Zahlungen ein Entgelt für eine „bestimmte Zeit“ darstellten. Ob sich die Leistung des Unternehmers, und damit auch das Entgelt des Vertragspartners auf eine bestimmte Zeit nach dem Bilanzstichtag bezieht, richtet sich nach allgemein-gültigen Maßstäben, die objektiv kontrollierbar sind. Schätzungen des Unternehmers genügen hingegen nicht. Tatsächlich hat die Klägerin die „bestimmte Zeit“ nur geschätzt, indem sie ihre Gesamtleistungen in fünf Phasen aufgeteilt, die Dauer der einzelnen Phasen geschätzt und das Entgelt auf die einzelnen Phasen im Schätzungswege aufgeteilt hat. Die Schätzungen waren jedoch nicht kontrollierbar und stimmten auch nicht, weil die geschätzten Laufzeiten im Nachhinein tatsächlich länger waren. Eine Passivierung als erhaltene Anzahlung war ebenfalls nicht möglich, weil dies nur bei zeitpunktbezogenen Leistungen des Unternehmers (z.B. einem Warenverkauf) möglich ist, nicht aber bei einer zeitraumbezogenen Leistung wie im Streitfall, die sich auf eine Bauphase bezieht. Hier war nur ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten zulässig, der im Streitfall aber an dem Kriterium der bestimmten Zeit scheiterte. Eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands auf der Passivseite ist zwar zulässig, soweit sich der Unternehmer mit seiner Leistung im Rückstand befindet. Hierzu hätte die Klägerin aber konkret vortragen müssen, inwieweit ihr Vertragspartner bereits in Vorleistung getreten ist und sie sich mit ihren Leistungen im Rückstand befand. Ein derartiger konkreter Vortrag ist seitens der Klägerin nicht erfolgt. Hinweise: Es blieb aber bei der vom Finanzamt anerkannten Rückstellung in Höhe von 2,5 Mio. €, weil der BFH nicht verbösern durfte. Das Urteil ist wichtig für Unternehmer, die zeitraumbezogene Leistungen z.B. im Bereich der Beratung oder Betreuung erbringen. Die vor Abschluss der Leistung erhaltenen Zahlungen können nur dann passivisch abgegrenzt werden, wenn sich ein bestimmter Zeitraum nach dem Bilanzstichtag objektiv bestimmen lässt. Ist dies nicht möglich, ist im Ergebnis nur eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zulässig, für die jedoch konkrete Aufzeichnungen zu führen sind und aus denen sich ergibt, inwieweit die bis zum Bilanzstichtag erhaltenen Zahlungen höher sind als die vom Unternehmer bis zum Bilanzstichtag erbrachten Leistungen. Bei Einnahmen bis zur Höhe von 800 € hat der Unternehmer ein Wahlrecht, einen Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden.Quelle: BFH, Urteil vom 26.7.2023 – IV R 22/20; NWB

  • Abzug der Aufwendungen für Gästehäuser

    Abzug der Aufwendungen für Gästehäuser

    Zwar sind nach dem Gesetz Aufwendungen für Gästehäuser nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn sich das Gästehaus außerhalb des Orts eines Betriebs des Unternehmers befindet. Die Aufwendungen sind jedoch abziehbar, wenn sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs des Unternehmers befindet. Die Abziehbarkeit der Betriebsausgaben setzt dann nicht voraus, dass der beherbergte Geschäftsfreund den Betrieb üblicherweise besucht.Hintergrund: Der Gesetzgeber sieht bestimmte Betriebsausgaben als nicht oder nur teilweise abziehbar an. So sind zum Beispiel Aufwendungen für Gästehäuser, die Geschäftsfreunden zur Verfügung gestellt werden und die sich außerhalb des Orts eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden, nicht als Betriebsausgaben abziehbar.Sachverhalt: Der Kläger war ein Lohnsteuerhilfeverein mit zahlreichen Beratungsstellen. Die Beratungsstellenleiter waren nicht Arbeitnehmer des Klägers, sondern als freie Mitarbeiter tätig. Der Kläger hatte in X einen Schulungsraum, der als Betriebsstätte anzusehen war. Der Kläger mietete in demselben Gebäude, in dem sich der Schulungsraum befand, noch zwei Ferienwohnungen an und überließ diese seinen Beratungsstellenleitern jeweils für eine Woche unentgeltlich. Das Finanzamt erkannte den Betriebsausgabenabzug für die Anmietung der Ferienwohnung unter Hinweis auf das gesetzliche Abzugsverbot für Gästehäuser nicht an, weil die beherbergten Beratungsstellenleiter nicht üblicherweise den Schulungsraum besuchten.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt und ließ den Betriebsausgabenabzug zu: Das Betriebsausgabenabzugsverbot für Gästehäuser greift nicht, wenn sich das Gästehaus bzw. die Ferienwohnung am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen befinden. Ein Betrieb kann auch eine Betriebsstätte oder Zweigniederlassung sein. Der Schulungsraum in X war eine Betriebsstätte, und die Ferienwohnungen befanden sich am selben Ort, so dass das Betriebsausgabenabzugsverbot vom Wortlaut her nicht anwendbar war. Es kommt nicht darauf an, ob die beherbergten Beratungsstellenleiter üblicherweise den Betrieb bzw. die Betriebsstätte (Schulungsraum) vor Ort besuchten. Soweit die Finanzverwaltung den Betriebsausgabenabzug davon abhängig macht, dass sich das Gästehaus am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen befindet und zusätzlich der Betrieb üblicherweise von den beherbergten Geschäftsfreunden besucht werden muss, gibt dies der Gesetzeswortlaut nicht her. Außerdem würde es dem Vereinfachungszweck des Abzugsverbots widersprechen, wenn man im Einzelfall aufklären müsste, ob der beherbergte Geschäftsfreund den Betrieb besucht hat. Hinweise: Der BFH widerspricht in seinem aktuellen Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung. Dem BFH zufolge sind die Betriebsausgaben bereits dann abziehbar, wenn sich das Gästehaus am Ort des Betriebs, wozu auch eine Zweigniederlassung oder Betriebsstätte gehört, befindet. Außerdem sind die Betriebsausgaben für ein Gästehaus abziehbar, wenn das Gästehaus der Beherbergung von Arbeitnehmern dient. Werden in dem Gästehaus aber Geschäftsfreunde bzw. freie Mitarbeiter untergebracht und befindet sich das Gästehaus nicht am Ort eines Betriebs des Steuerpflichtigen, sind die Betriebsausgaben für das Gästehaus nicht abziehbar. Es genügt dann nicht, dass das Gästehaus aus betrieblichen Gründen unterhalten wird; denn das gesetzliche Abzugsverbot gilt ohnehin nur für betrieblich veranlasste Aufwendungen. Fehlt bereits eine betriebliche Veranlassung, scheidet der Betriebsausgabenabzug von vornherein aus. Quelle: BFH, Urteil v. 24.5.2023 – XI R 37/20; NWB

  • Abschreibung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

    Abschreibung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

    Eine Abschreibung auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft unterlag im Jahr 2004 dem damals gültigen Halbabzugsverbot und war daher nur zu 50 % steuerlich absetzbar. Das Halbabzugsverbot galt bei einer Abschreibung im Jahr 2004 auch dann, wenn die Abschreibung richtigerweise bereits im Jahr 2001 hätte vorgenommen werden müssen, als das Halbabzugsverbot noch nicht galt. Bei einer Nachholung der Abschreibung im Jahr 2004 im Wege einer Bilanzberichtigung gilt nämlich die Rechtslage im Jahr der Bilanzberichtigung, d.h. des Jahres 2004.Hintergrund: Von 2002 bis einschließlich 2008 galt das sog. Halbeinkünfteverfahren. Dividenden waren nur zu 50 % steuerpflichtig; dafür wurden aber auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einer GmbH-Beteiligung, z.B. eine Abschreibung auf eine GmbH-Beteiligung, nur zu 50 % steuerlich berücksichtigt (sog. Halbabzugsverbot). Sachverhalt: Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG. Sie war an der K-AG zu 99,75 % beteiligt, die im Jahr 2001 ihre Auflösung beschloss; die Liquidation wurde 2004 abgeschlossen. Die Klägerin schrieb ihre Beteiligung an der K-AG zum 31.12.2004 ab. Den sich hieraus ergebenden Verlust in Höhe von ca. 1,5 Mio. € berücksichtigte das Finanzamt auf Grund des Halbabzugsverbots nur zu 50 %. Die Klägerin begehrte eine vollständige Berücksichtigung des Verlustes und machte geltend, dass die Abschreibung bereits im Jahr 2001 hätte erfolgen müssen, als das Halbabzugsverbot noch nicht gegolten habe. Die Abschreibung im Jahr 2004 sei daher eine Bilanzberichtigung, für die das Recht des Jahres 2001 gelten müsse. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Klage ab: Es handelte sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um eine Bilanzberichtigung. Die Beteiligung durfte im Jahr 2001 noch nicht abgeschrieben werden, sondern erst im Jahr 2004. Denn erst im Jahr 2004 war die Liquidation abgeschlossen, so dass erst im Jahr 2004 der Verlust, der sich aus der Auflösung der K-AG ergab, feststand. Selbst wenn es sich um eine Bilanzberichtigung gehandelt hätte, weil die Abschreibung bereits im Jahr 2001 hätte vorgenommen werden müssen, wäre das Halbabzugsverbot im Jahr 2004 anwendbar gewesen. Bei einer Bilanzberichtigung kommt es nämlich auf das geltende Recht im Jahr der Bilanzberichtigung, also im Jahr 2004, und nicht auf das Recht im Jahr der Erstellung der fehlerhaften Bilanz (2001) an; es gibt also keinen „Rechtstransport“ aus dem Jahr der fehlerhaften Bilanz in das Jahr der Bilanzberichtigung. Im Jahr 2004 galt aber das Halbabzugsverbot schon. Hinweise: Seit 2009 gilt das sog. Teilabzugsverbot. Betriebliche Aufwendungen einer Personengesellschaft oder eines Einzelunternehmers im Zusammenhang mit einer GmbH-Beteiligung sind nur zu 60 % absetzbar und werden im Umfang von 40 % steuerlich nicht berücksichtigt. Dafür sind Dividenden im betrieblichen Bereich zu 40 % steuerfrei. Nach der aktuellen Rechtslage besteht ein Wahlrecht, ob eine Teilwertabschreibung in der Steuerbilanz vorgenommen wird. Dieses Wahlrecht kann unabhängig von der Inanspruchnahme einer entsprechenden Abschreibung in der Handelsbilanz ausgeübt werden. Das Unterlassen einer Teilwertabschreibung kann daher nicht zu einem Bilanzierungsfehler führen und deshalb auch keine Bilanzberichtigung auslösen. Quelle: BFH, Urteil vom 27.7.2023 – IV R 15/20; NWB

  • Nachträgliche Umsatzsteuererhöhung bei Bauleistungen an Bauträger

    Nachträgliche Umsatzsteuererhöhung bei Bauleistungen an Bauträger

    Hat ein Bauunternehmer im Jahr 2012 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht und dabei auf der Grundlage der damaligen Verwaltungsauffassung keine Umsatzsteuer ausgewiesen, weil der Bauträger die Umsatzsteuer vermeintlich schuldete (sog. Reverse-Charge-Verfahren), darf das Finanzamt die Umsatzsteuer des Bauunternehmers trotz der nachteiligen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der die Verwaltungsauffassung als rechtswidrig eingestuft hat, wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht mehr zu seinen Ungunsten ändern. Der Vertrauensschutz greift, wenn der Unternehmer bei der Abgabe seiner Umsatzsteuervoranmeldungen für 2012 die damals gültige Verwaltungsauffassung berücksichtigt und das Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht beanstandet hat. Hintergrund: Bei Bauleistungen unter Unternehmern gilt grundsätzlich das sog. Reverse-Charge-Verfahren, d.h. Umsatzsteuerschuldner ist der Leistungsempfänger (Auftraggeber). Nach Auffassung der Finanzverwaltung galt dies auch bei Bauleistungen an einen Bauträger, der unbebaute Grundstücke bebaut und anschließend verkauft. Im Jahr 2013 entschied der BFH jedoch, dass bei Bauleistungen an einen Bauträger das Reverse-Charge-Verfahren nicht gilt, weil der Bauträger selbst keine Bauleistungen erbringt, sondern nur Grundstücke verkauft. Daraufhin beantragten viele Bauträger die Erstattung der von ihnen zu Unrecht entrichteten Umsatzsteuer, und die Finanzämter versuchten, die Umsatzsteuer nun von den Bauunternehmern zu erhalten. Der Gesetzgeber hat in der Folgezeit versucht, eine Rückabwicklung dieser Fälle zu ermöglichen. Sachverhalt: Die Klägerin war Organträgerin einer GmbH, die im Baubereich tätig war; die Klägerin war als Organträgerin Umsatzsteuerschuldnerin der von der GmbH ausgeführten Umsätze. Die GmbH hatte im Jahr 2012 Bauleistungen an einen Bauträger erbracht. Die GmbH ging ebenso wie der Bauträger auf der Grundlage der Verwaltungsauffassung davon aus, dass der Bauträger die Umsatzsteuer nach dem Reverse-Charge-Verfahren schuldet. Dementsprechend meldete die Klägerin als Organträgerin in ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für 2012 keine Umsatzsteuer an. Im Jahr 2013 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Im Jahr 2013 stufte der BFH die Verwaltungsauffassung zur Umsatzsteuerschuldnerschaft von Bauträgern als rechtswidrig ein und verneinte deren Steuerschuldnerschaft. Im April 2014 gab die Klägerin ihre Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 ab und ging wie bereits bei den Voranmeldungen von der Umsatzsteuerschuldnerschaft des Bauträgers aus. Der Bauträger beantragte 2015 die Erstattung seiner Umsatzsteuer bezüglich der von der GmbH erbrachten Bauleistungen. Daraufhin erhöhte das Finanzamt nun die Umsatzsteuer der Klägerin für 2012 entsprechend, indem sie Umsatzsteuer auf die von der GmbH erbrachten Bauleistungen festsetzte. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der hiergegen gerichteten Klage statt: Zwar stand die Umsatzsteuerfestsetzung für 2012 kraft Gesetzes unter einem Vorbehalt der Nachprüfung, da es sich bei der Umsatzsteuererklärung um eine sog. Steueranmeldung handelt, die wie eine Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung behandelt wird. An sich hätte daher die Umsatzsteuerfestsetzung aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung zuungunsten der Klägerin geändert werden müssen. Die Änderung war jedoch wegen des gesetzlichen Vertrauensschutzes nicht möglich. Danach darf ein Steuerbescheid nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen mit der Begründung geändert werden, dass der BFH eine allgemeine Verwaltungsvorschrift als rechtswidrig eingestuft hat. Die Klägerin, die sich auf die Verwaltungsauffassung gestützt hat, genießt daher Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Steuerfestsetzung. Zwar war bei Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung für 2012 im April 2014 die neue BFH-Rechtsprechung schon veröffentlicht, so dass deshalb das Vertrauen der Klägerin zu verneinen sein könnte. Jedoch ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass sie im Jahr 2012 bereits monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben hatte, die ebenfalls als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen und deshalb ebenfalls vom Vertrauensschutz erfasst werden. Hinweise: Das Urteil ist für Bauunternehmer, die bis zur Änderung der BFH-Rechtsprechung im Jahr 2013 Bauleistungen an Bauträger erbracht haben und die auf die Anwendung des sog. Reverse-Charge-Verfahrens vertraut haben, vorteilhaft. Allerdings hat der Gesetzgeber in einer weiteren Änderungsvorschrift, die er nachträglich, d.h. nach der Rechtsprechungsänderung eingefügt hat, den gesetzlichen Vertrauensschutz ausdrücklich ausgeschlossen. Das Finanzamt hätte sich daher auf diese weitere Änderungsvorschrift stützen können. Jedoch hat der BFH den Anwendungsbereich dieser weiteren Änderungsvorschrift bereits vor wenigen Jahren eingeschränkt. Die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung ist danach nur zulässig, wenn dem Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Bauträger zusteht. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt, weil die Klägerin als Organträgerin keinen Anspruch der GmbH gegen den Bauträger an das Finanzamt abtreten konnte. Die GmbH war nämlich insolvent; es war daher nicht anzunehmen, dass der Insolvenzverwalter der GmbH einen werthaltigen Anspruch der GmbH gegen den Bauträger auf Zahlung der in Rechnung gestellten Umsatzsteuer dadurch aufgibt, dass er diesen Anspruch an das Finanzamt abtritt. Quelle: BFH, Urteil vom 6.7.2023 – V R 5/21; NWB

  • Zurückgezahlte Erstattungszinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen

    Zurückgezahlte Erstattungszinsen als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen

    Muss der Steuerpflichtige Erstattungszinsen, die aufgrund einer Steuererstattung festgesetzt worden sind, an das Finanzamt zurückzahlen, weil die Steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert worden ist, kann die Rückzahlung im Jahr der Rückzahlung als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, soweit sie auf dieselbe Bemessungsgrundlage und denselben Verzinsungszeitraum entfallen. Hintergrund: Bei einer Steuererstattung werden Erstattungszinsen zugunsten des Steuerpflichtigen festgesetzt, wenn die Steuerfestsetzung mindestens 15 Monate nach Ablauf des Jahres, in dem die Steuer entstanden ist, erfolgt und zu einer Steuererstattung führt. Kommt es zu einer Steuernachzahlung, werden in entsprechender Weise Nachzahlungszinsen festgesetzt. Die Erstattungszinsen sind nach dem Gesetz als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern, während Nachzahlungszinsen steuerlich nicht absetzbar sind. Sachverhalt: Zugunsten des Klägers wurden im Jahr 2010 Erstattungszinsen in Höhe von ca. 46.000 € für eine Steuerfestsetzung für 2006 festgesetzt; der Verzinsungszeitraum begann am 1.4.2008 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2006) und endete am 4.2.2010 (22 Monate). Im Jahr 2011 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung für 2006 zulasten des Klägers. Dementsprechend wurden nun auch Nachzahlungszinsen festgesetzt, und zwar 19.000 € für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2008 bis zum 19.12.2011 (44 Monate). Der Kläger zahlte die 19.000 € im Jahr 2012 an das Finanzamt. In vergleichbarer Weise wurden für den Kläger für das Jahr 2007 zunächst Erstattungszinsen in Höhe von ca. 23.000 € festgesetzt, und zwar für den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 (15 Monate nach Ablauf des Jahres 2007) bis zum 4.2.2010 (10 Monate). Im Jahr 2012 änderte das Finanzamt die Steuerfestsetzung zulasten des Klägers und damit auch die Zinsfestsetzung, die nun den Verzinsungszeitraum vom 1.4.2009 bis zum 19.11.2012 (43 Monate) betraf. Der Kläger zahlte nun im Jahr 2012 Zinsen in Höhe von ca. 23.000 € an das Finanzamt zurück. Der Kläger machte die beiden Rückzahlungsbeträge von insgesamt 42.000 € (19.000 € + 23.000 €) als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte nur einen Teil der Rückzahlungsbeträge an, soweit sie denselben Unterschiedsbetrag (d.h. Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum betrafen. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die auf vollständige Berücksichtigung der gesamten zurückgezahlten Zinsen gerichtete Klage ab: Nach dem Gesetz sind Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern. Werden die Erstattungszinsen an das Finanzamt zurückgezahlt, weil die Steuerfestsetzung zulasten des Steuerpflichtigen und damit auch die Zinsfestsetzung geändert wird, handelt es sich bei der Zahlung der Zinsen an das Finanzamt um die Rückzahlung steuerpflichtiger Einnahmen. Dies führt zu negativen Einnahmen aus Kapitalvermögen; denn die frühere Zahlung der Erstattungszinsen wird rückabgewickelt. Allerdings gilt dies nur insoweit, als die Zinsen, die nun an das Finanzamt zurückgezahlt werden, für denselben Unterschiedsbetrag (Bemessungsgrundlage) und denselben Verzinsungszeitraum anfallen. Nur insoweit ist nämlich die Rückzahlung der Zinsen an das Finanzamt durch die vorher erstatteten und steuerpflichtigen Zinsen veranlasst. Besteht diese zeitliche und betragsmäßige Überschneidung nicht, handelt es sich nicht um die Rückzahlung von Erstattungszinsen, sondern um die steuerlich unbeachtliche erstmalige Zahlung von Nachzahlungszinsen. Im Streitfall hat das Finanzamt negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in der zutreffenden Höhe berücksichtigt, nämlich in Höhe von 9.500 € für 2006 und in Höhe von ca. 11.000 € für 2007. Der Überschneidungszeitraum belief sich für 2006 auf 22 Monate und für 2007 auf zehn Monate. Die insoweit angefallenen Zinsen waren als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen im Streitjahr 2012 zu berücksichtigen, da sie in diesem Jahr zurückgezahlt wurden. Die für die weiteren Monate angefallenen Zinsen für 22 Monate für den Veranlagungszeitraum 2006 sowie für 33 Monate für 2007 sind Nachzahlungszinsen, die einkommensteuerlich unbeachtlich sind. Hinweise: Der BFH hält die unterschiedliche Behandlung von Erstattungszinsen, die steuerpflichtig sind, und Nachzahlungszinsen, die steuerlich unbeachtlich sind, für verfassungsgemäß. Den Erstattungszinsen einerseits und Nachzahlungszinsen andererseits liegen unterschiedliche Sachverhalte zugrunde, die sich wirtschaftlich unterschiedlich auswirken und bezüglich ihrer steuerlich maßgeblichen Veranlassung nicht miteinander vergleichbar sind. Für den „normalen“ Steuerzahler ist dies allerdings kaum nachvollziehbar. Quelle: BFH, Beschluss vom 1.8.2023 – VIII R 8/21; NWB