Beachtung einer Vollmacht in der Vollmachtsdatenbank

Hat der Steuerberater eine uneingeschränkte, auf dem amtlichen
Muster der Finanzverwaltung ausgestellte Vollmacht seines Mandanten, die auch
die Bekanntgabe von Steuerbescheiden umfasst, in der Vollmachtsdatenbank
hinterlegt, muss das Finanzamt diese Vollmacht bei der Bekanntgabe von
Steuerbescheiden beachten und den Bescheid an den Steuerberater – und
nicht an den Mandanten – übersenden. Es ist nicht erforderlich, dass
seitens des Mandanten auch das sog. Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in
Steuersachen verwendet wird.

Hintergrund: Vollmachten für
Steuerberater können in einer amtlichen Vollmachtsdatenbank hinterlegt werden,
wenn hierfür das amtliche Vollmachtsformular verwendet wird. Auf dem Formular
kann dann angekreuzt werden, ob die Vollmacht uneingeschränkt oder nur für
bestimmte Steuerarten gelten soll und ob auch eine Bekanntgabevollmacht für die
Entgegennahme von Steuerbescheiden erteilt wird. Die Vollmacht ist dann den
Finanzämtern elektronisch zu übermitteln und von diesen zu beachten. Die
Finanzverwaltung hat dem amtlichen Formular noch ein Beiblatt zur Vollmacht zur
Vertretung in Steuersachen beigefügt, in dem die Steuernummer(n) des
Steuerpflichtigen mit dem jeweiligen Finanzamt anzugeben sind, für die die
Vollmacht gelten soll.

Sachverhalt: Der Kläger
bevollmächtigte seinen Steuerberater S für alle Steuerarten und für den Empfang
sämtlicher Steuerbescheide (Bekanntgabevollmacht); die Vollmacht enthielt also
keine Beschränkungen für bestimmte Steuerarten. Der Kläger verwendete das
amtliche Vollmachtsmuster der Finanzverwaltung. Auf dem Vollmachtsmuster war
sowohl die Steueridentifikationsnummer des Klägers als auch seine Steuernummer
für die Einkommensteuer angegeben. Die Vollmacht enthielt jedoch nicht das
Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen. Die Vollmacht wurde in
der Vollmachtsdatenbank hinterlegt und konnte vom Finanzamt seit dem 20.6.2017
abgerufen werden.

Im Juni 2018 erwarb der Kläger ein Grundstück. Das Finanzamt setzte
Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 27.6.2018 fest, den es dem Kläger selbst
– und nicht dem S – bekanntgab. Der Kläger übergab den Bescheid dem
S am 9.9.2019, also nach mehr als 14 Monaten. S legte am 12.9.2019 Einspruch
beim Finanzamt ein, das den Einspruch als verspätet ansah und verwarf.
Hiergegen erhob der Kläger Klage.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) sah den Einspruch als fristgerecht an und gab der Klage
statt:

  • Der Grunderwerbsteuerbescheid ist erst am 9.9.2019 mit der
    Übergabe des Bescheids durch den Kläger an den S wirksam bekanntgegeben worden,
    sodass der von S eingelegte Einspruch am 12.9.2019 innerhalb der einmonatigen
    Einspruchsfrist und damit fristgerecht erfolgt ist.

  • Die Übersendung des Grunderwerbsteuerbescheids an den Kläger
    am 27.6.2018 war unwirksam, weil der Bescheid dem S hätte bekanntgegeben werden
    müssen. Denn der Kläger hatte dem S eine vollumfängliche Empfangsvollmacht
    erteilt, die in der Vollmachtsdatenbank hinterlegt worden war und die daher den
    Finanzämtern elektronisch zu übermitteln war.

  • Das Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen war
    nicht Bestandteil des amtlichen Vollmachtsmusters und musste daher vom Kläger
    nicht verwendet werden. Denn der Umfang der Vollmacht ergibt sich bereits aus
    dem eigentlichen Vollmachtsformular, so dass die Angabe der Steuernummer(n) in
    dem Beiblatt und die Erklärung, dass die Vollmacht nur für die in dem Beiblatt
    angegebenen Steuernummern gelten soll, im Widerspruch zum Vollmachtsmuster
    stünde, das grundsätzlich auf eine uneingeschränkte Vertretung gerichtet ist,
    wenn nicht bestimmte Steuerarten im Vollmachtsmuster ausdrücklich
    ausgeschlossen werden.

  • Da die Bekanntgabe an den Kläger unwirksam war, wurde dieser
    Bekanntgabemangel erst durch Übergabe des Bescheids am 9.9.2019 geheilt. Der
    Einspruch vom 12.9.2019 war damit fristgerecht. Inhaltlich gab es keinen Streit
    darüber, dass die Grunderwerbsteuer zu hoch festgesetzt worden war.

Hinweise: Bei der
Grunderwerbsteuer kommt die Besonderheit dazu, dass eine Steuernummer für jeden
grunderwerbsteuerbaren Vorgang vergeben wird. Es ist also vorab gar nicht
möglich, im Beiblatt die künftigen Grunderwerbsteuer-Steuernummern anzugeben.

Das Urteil ist für Steuerpflichtige und ihre Berater erfreulich,
weil der BFH deutlich macht, dass die Finanzverwaltung die auf dem amtlichen
Vollmachtsmuster erteilten, und in der Vollmachtsdatenbank hinterlegten
Vollmachten beachten muss und nicht auf das Fehlen des Beiblatts verweisen
darf. Eine entgegen der in der Vollmachtsdatenbank hinterlegten
Empfangsvollmacht erfolgte Bekanntgabe des Steuerbescheids an den
Steuerpflichtigen selbst löst dann keine Einspruchsfrist aus.

Quelle: BFH, Urteil vom 8.11.2023 – II R 19/21; NWB