Schenkung durch Forderungsverzicht unter GmbH-Gesellschaftern
Ein Verzicht eines GmbH-Gesellschafters auf eine Ausgleichszahlung im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung, bei der die Kapitalrücklage abweichend von einer vorherigen Vereinbarung nun entsprechend den Beteiligungsquoten zugerechnet wird und damit den Wert seiner Beteiligung mindert, führt zu einer Schenkung zugunsten der Mitgesellschafter. Hintergrund: Eine freigebige Zuwendung wird als Schenkung besteuert, soweit der Empfänger durch die Zuwendung auf Kosten des Schenkers bereichert wird. Ob eine Bereicherung vorliegt, bestimmt sich nach dem Zivilrecht. Sachverhalt: An einer GmbH waren der Kläger, sein Vater V und sein Bruder B zu je 1/3 beteiligt. Am 1.7.2006 beschlossen die drei Gesellschafter, dass sie Privatvermögen in die GmbH einbringen; die eingebrachten Vermögenswerte sollten den Kapitalrücklagen zugeführt werden, die gesellschafterbezogen geführt werden sollten, so dass die durch die Einlagen gebildeten Kapitalrücklagen also nicht im Verhältnis von je 1/3 den Gesellschaftern zugerechnet werden, sondern dem jeweiligen Gesellschafter, der Privatvermögen einbringt, zugute kommen. In den folgenden vier Jahren erbrachte insbesondere V mehrere Bar- und Sachleistungen im Wert von insgesamt 4,95 Mio. €. Am 15.11.2012 beschlossen die drei Gesellschafter eine Kapitalerhöhung von 27.000 € auf 554.500 €. An der Kapitalerhöhung sollten nur der Kläger und B teilnehmen. Beide brachten Beteiligungen an anderen Gesellschaften ein, die ihnen der V kurz zuvor geschenkt hatte. Aufgrund der Kapitalerhöhung verminderte sich die Beteiligung des V von 1/3 auf 1,62 %, während sich die Beteiligungen des Klägers und des B von 1/3 auf 49,19 % erhöhten. Als Ausgleich für den Verzicht des V auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung trafen die drei Gesellschafter noch am 15.11.2012 eine Ausgleichsvereinbarung, bei der sie aber die aufgrund der Einlagen des V gebildete Kapitalrücklage von 4,95 Mio. € jedem Gesellschafter zu 1/3 zurechneten. Der berechnete Ausgleich für V betrug daher nur ca. 1.063 Mio. €. Das Finanzamt ging davon aus, dass sich nach Abzug des Ausgleichs eine Bereicherung für den Kläger und für B in Höhe von jeweils ca. 1,1 Mio. € ergab, und setzte gegen den Kläger Schenkungsteuer in Höhe von ca. 150.000 € fest. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab dem Finanzamt Recht: V hat dem Kläger und dem B jeweils ca. 1,1 Mio. € geschenkt, indem er auf seine Ausgleichsforderung verzichtet hat. Die drei Gesellschafter hatten ursprünglich in zivilrechtlich zulässiger Weise eine gesellschafterbezogene Zuordnung der Kapitalrücklage vereinbart. Daher stand dem V, der hohe Einlagen erbracht hatte, die Kapitalrücklage zu. V hat dann im Rahmen der Kapitalerhöhung auf einen vollen Ausgleich der von ihm aufgebrachten Kapitaleinlage verzichtet und damit eine Schenkung an den Kläger sowie an B bewirkt. Der Kläger hätte ebenso wie B die Wertminderung des Anteils des V, die sich aufgrund der Kapitalerhöhung ergab, ausgleichen müssen. Denn im Rahmen der Kapitalerhöhung wurde nun die Kapitalrücklage, die bislang allein dem V zustand, allen Gesellschaftern zu je 1/3 zugerechnet. Damit erhielten jetzt der Kläger und B jeweils 1/3 an der Kapitalrücklage, zu der sie keinen Beitrag geleistet hatten. Die übrigen Voraussetzungen einer Schenkung lagen vor: Der V wurde entreichert, weil der Wert seiner Beteiligung infolge der Kapitalerhöhung und der neuen Zuordnung der Kapitalrücklage sank. Dem V war auch bekannt und bewusst, dass die Kapitalrücklage nun zugunsten des Klägers und des B zugeordnet wird und dass die ermittelte Ausgleichsforderung den Wertverlust des V nur teilweise ausgleichen würde. Hinweis: In den Jahren 2006 bis 2010 wurden disquotale Einlagen, wie sie V geleistet hatte, noch nicht als Schenkungen gewertet. Dies geschah seitens des Gesetzgebers erst später, und zwar im Jahr 2011. Für den Streitfall hat diese Gesetzesänderung aber keine Bedeutung, weil nicht die disquotalen Einlagen des V im Zeitraum 2006 bis 2010 zu einer Schenkung führten, sondern sein Verzicht auf einen vollständigen Ausgleich der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage. Quelle: BFH, Urteil vom 19.6.2024 – II R 40/21; NWB