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Kategorie: Steuern: Alle Steuerzahler

  • <div>Vorsicht Falle – Betrüger versenden E-Mails im Namen der „Generaldirektion für Finanzen“</div>

    Vorsicht Falle – Betrüger versenden E-Mails im Namen der „Generaldirektion für Finanzen“

    Derzeit versenden Betrüger E-Mails im Namen der Generaldirektion für Finanzen. Hierauf weist das Thüringer Finanzministerium hin.Im Text der E-Mail wird durch das mutmaßliche Hauptamt der deutschen Finanzverwaltung darum gebeten, im Anschluss an eine Steuerprüfung das im Anhang beigefügte Dokument zu lesen. Das falsche Schreiben enthält das Logo des Bundesministeriums der Finanzen. Die Betrüger behaupten, dass gegen die Empfängerinnen und Empfänger der E-Mails mehrere Anzeigen wegen Steuerbetrugs vorliegen. Das Schreiben enthält außerdem folgenden Wortlaut: „Sie haben diese Steuerhinterziehung gemäß den Bestimmungen der Artikel 156 bis 168 der Allgemeinen Steuerordnung tatsächlich begangen.“ Die Betrüger verlangen die Überweisung eines Geldbetrags und drohen bei Nichtzahlung mit der Pfändung des Vermögens und der strafrechtlichen Verfolgung. Die Finanzverwaltung warnt ausdrücklich davor, diesen Anweisungen zu folgen. Das der E-Mail beigefügte Dokument ist keinesfalls herunterzuladen oder gar zu öffnen. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland begrifflich weder eine Generaldirektion Finanzen, noch eine Allgemeine Steuerordnung. Das der E-Mail beigefügte Schreiben ist unterzeichnet von dem Leiter des Bundesfinanzinspektionsdienstes. Auch dieses Amt existiert in der Bundesrepublik nicht. Zudem ist zu beachten, dass Zahlungsaufforderungen durch das Finanzamt in jedem Fall schriftlich, ausschließlich per Post oder über das persönliche ELSTER-Benutzerkonto an Steuerpflichtige versandt werden, niemals per E-Mail, SMS oder WhatsApp. Hinweis: Betrüger nutzen oft mehrere Wege, um an die Daten von Bürgerinnen und Bürger zu gelangen. Betroffene sollen sich in solchen Fällen an die örtliche Polizeidienststelle wenden. Quelle: Thüringer Finanzministerium, Pressemitteilung v. 10.8.2023; NWB

  • Fristversäumnis bei Klageerhebung

    Fristversäumnis bei Klageerhebung

    Zwar kann der Steuerpflichtige Zweifel darlegen, dass eine Einspruchsentscheidung nicht bereits am dritten Tag nach Aufgabe zur Post bei ihm eingegangen ist, sondern erst zu einem späteren Tag. Verwendet der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter aber ein elektronisches Posteingangsbuch, muss dieses laufend geführt und jeder Posteingang zeitnah eingetragen werden. Enthält das elektronische Posteingangsbuch zahlreiche Eintragungen, die erst mehrere Wochen nach tatsächlichem Zugang des Bescheids bzw. der Einspruchsentscheidung vorgenommen wurden, ist es nicht geeignet, Zweifel an einem Zugang innerhalb von drei Tagen nach Aufgabe zur Post zu begründen. Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid am dritten Tage nach Aufgabe zur Post durch das Finanzamt als bekannt gegeben, es sei denn, er ist zu einem späteren Tag oder gar nicht zugegangen. Mit Ablauf des Tags der Bekanntgabe des Bescheids beginnt die Einspruchsfrist oder – bei Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung – die Klagefrist. Sachverhalt: Der steuerlich vertretene Kläger hatte Einspruch gegen seinen Steuerbescheid eingelegt. Das Finanzamt wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung zurück, adressierte die Einspruchsentscheidung an die Steuerberaterin des Klägers und gab die Einspruchsentscheidung am 11.11.2021, einem Donnerstag, zur Post auf. Am 17.12.2021 erhob die Steuerberaterin bei Gericht Klage. Sie machte geltend, dass die Einspruchsentscheidung erst am 17.11.2021 bei ihr im Büro eingegangen sei, und legte als Nachweis ein elektronisches Posteingangsbuch vor. In diesem Posteingangsbuch war die Einspruchsentscheidung unter der laufenden Nummer 89 mit dem Eingangsdatum 17.11.2021 eingetragen; die beiden nächsten Einträge mit dem Eingangsdatum 17.11.2021 enthielten die Nummern 206 und 90. Auch zahlreiche weitere Eintragungen enthielten keine fortlaufende Nummer. Entscheidung: Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) wies die Klage ab: Der Kläger hat die Klagefrist nicht eingehalten. Denn die Einspruchsentscheidung wurde am 11.11.2021, einem Donnerstag, zur Post aufgegeben und galt damit nach dem Gesetz als drei Tage später bekannt gegeben. Da der dritte Tag, der 14.11.2021, ein Sonntag war, verschob sich die Bekanntgabe auf den Montag, den 15.11.2021. Die Klagefrist endete am 15.12.2021, so dass die am 17.11.2021 erhobene Klage verfristet war. Der Kläger hat keine Zweifel an einer Bekanntgabe am 15.11.2021 begründet. Denn das von seiner Steuerberaterin geführte elektronische Posteingangsbuch war nicht geeignet, einen tatsächlichen Zugang der Einspruchsentscheidung erst am 17.11.2021 darzulegen. Die Eintragungen im elektronischen Posteingangsbuch sind nicht fortlaufend, lückenlos und zeitnah erfolgt. So sind die Posteingänge, die am 17.11.2021 eingegangen sein sollen, mit den Nummern 89, 90 und 206 erfasst worden. Die Nummern 91 bis 205 sind hingegen an anderen Daten eingetragen worden. Auch weitere Einträge sind nicht fortlaufend erfolgt. Hinweise: Bei einem verspäteten Eingang des Bescheids bzw. der Einspruchsentscheidung nach Ablauf der drei Tage, die der Gesetzgeber als Postlaufzeit fingiert, kann der tatsächlich spätere Eingang durch ein ordnungsgemäß geführtes Fristenkontrollbuch sowie durch den Briefumschlag, aus dem sich ggf. ein Poststempel von einem späteren Tag ergibt, und einen Eingangsstempel oder -vermerk nachgewiesen werden. Um sicherzugehen, dass die Einspruchs- bzw. Klagefrist gewahrt wird, empfiehlt es sich allerdings, die Frist nicht vollständig auszuschöpfen, sondern die Einspruchs- bzw. Klagefrist auf der Grundlage der dreitägigen Bekanntgabefiktion zu errechnen und den Einspruch bzw. die Klage bis zum Ablauf dieser errechneten Frist einzulegen. Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 2.8.2022 – 16 K 16191/21; NWB

  • Kein Steuerstundungsmodell bei aktiver Betätigung des Steuerpflichtigen

    Kein Steuerstundungsmodell bei aktiver Betätigung des Steuerpflichtigen

    Ein Steuerstundungsmodell, dessen Verluste grundsätzlich nicht ausgleichsfähig sind, liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige ein vorgefertigtes Konzept vorfindet, das er nur noch anzunehmen braucht, so dass er sich wie ein passiver Anleger verhält. Ist der Steuerpflichtige hingegen in der Weise aktiv, dass er bei der Gestaltung des Konzepts mitwirkt, handelt es sich nicht um ein Steuerstundungsmodell, so dass seine Verluste in vollem Umfang ausgleichsfähig sind. Hintergrund: Verluste aus einem Steuerstundungsmodell sind nach dem Gesetz nicht mit anderen positiven Einkünften ausgleichbar. Sie sind lediglich verrechenbar und können nur mit künftigen positiven Einkünften aus dem Steuerstundungsmodell verrechnet werden. Ein Steuerstundungsmodell liegt vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung negative Einkünfte erzielt werden sollen. Eine modellhafte Gestaltung ist anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund eines vorgefertigten Konzepts die Möglichkeit erhält, zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen.Sachverhalt: Die Klägerin war eine KG, die von A und B im Jahr 2006 gegründet wurde und an der sich C als atypisch stiller Gesellschafter beteiligte. B hatte im Jahr 2006 hohe Einkünfte erzielt. Bei der Gründung der KG hatte der Rechtsanwalt und Steuerberater R mitgewirkt, der von B beauftragt worden war, eine Anlagestruktur mit steuerlichem Verlustverrechnungspotenzial zu begründen. R empfahl eine Treuhandstruktur; dieser Empfehlung folgten A, B und C aber nicht, sondern gründeten die KG selbst (A und B) bzw. beteiligten sich als stiller Gesellschafter (C). Die KG erwarb dann Schuldverschreibungen, deren Erwerb durch Bankdarlehen finanziert wurde, bei deren Auszahlung ein Disagio abgezogen wurde. An den Verhandlungen mit den Banken nahmen A, B und C sowie R teil. Im Jahr 2006 erzielte die KG einen Verlust, den das Finanzamt als Verlust aus einem Steuerstundungsmodell ansah, so dass er mit den positiven Einkünften von A, B und C nicht verrechnet werden konnte. Gegen diese Feststellung klagte die KG.Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt: Eine Beteiligung an einem Steuerstundungsmodell kann dadurch begründet werden, dass man sich an einem geschlossenen Fonds, der ein Steuerstundungsmodell umsetzt, beteiligt oder indem eine Einzelinvestition in Gestalt eines Steuerstundungsmodells getätigt wird. A, B und C haben sich nicht an einem geschlossenen Fonds beteiligt, denn die KG hatte keinen geschlossenen Anlegerkreis. Vielmehr hätten nach dem Gesellschaftsvertrag der KG noch weitere Anleger der KG beitreten können. Es handelte sich jedoch um eine Einzelinvestition, da die KG eine Schuldverschreibung gezeichnet hat. Allerdings liegt ein Steuerstundungsmodell nur dann vor, wenn die Investition aufgrund eines vorgefertigten Konzepts erfolgt und sich der Anleger passiv verhält, also das ihm vorgelegte Konzept „abnickt“. Im Streitfall haben A, B und C kein vorgefertigtes Konzept vorgefunden, das sie lediglich übernommen haben, sondern sie haben an der Gestaltung und dem Entwurf des Konzepts aktiv mitgewirkt. So haben sie die KG gegründet (A und B), sind von dem Vorschlag des R, ein Treuhandmodell umzusetzen, abgewichen und haben zusammen mit R eigenständige Verhandlungen mit den Banken geführt. Zudem war B auch geschäftsführender Kommanditist. Hinweise: Das Urteil hat zur Folge, dass der von der KG erzielte Verlust von A, B und C im Umfang ihrer jeweiligen Beteiligungsquote mit ihren positiven Einkünften verrechnet werden kann und damit ihre Einkommensteuerlast mindert. Hätte das Finanzamt Recht bekommen, hätten A, B und C warten müssen, bis die KG eines Tages Überschüsse erzielt, und erst dann den lediglich verrechenbaren Verlust zur Verrechnung mit diesen Überschüssen nutzen können. Der Verlust der KG ergab sich insbesondere aus dem Disagio des aufgenommenen Bankdarlehens, das in voller Höhe als Werbungskosten abziehbar war, sowie aus den Zinsen für dieses Darlehen. Der BFH macht deutlich, dass steuerliche Vorschriften, die zu Verlusten führen, durchaus von Einzelinvestoren genutzt werden können. Verhindert werden soll aber, dass derartige Vorschriften konzeptionell aufgearbeitet werden und einer Vielzahl von Anlegern angeboten werden. Quelle: BFH, Urteil v. 16.3.2023 – VIII R 10/19; NWB

  • Vorsicht Falle – versuchter Betrug im Namen des Bundeszentralamts für Steuern

    Vorsicht Falle – versuchter Betrug im Namen des Bundeszentralamts für Steuern

    Das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) weist aktuell auf zwei Maschen hin, mit denen Betrüger mittels SMS bzw. E-Mails versuchen, an Informationen von Steuerzahlern zu gelangen.Im ersten Fall versenden Betrüger SMS mit dem Hinweis, dass die eigene „Steuer“ korrigiert worden wäre und man Geld zurückerhalten würde. Dann wird man dazu aufgerufen, das Online-Portal zu öffnen, um diese Einzahlung zu akzeptieren. Das BZSt warnt ausdrücklich davor, auf diese Betrug-SMS zu reagieren bzw. die Einzahlung zu akzeptieren.Im zweiten Fall versenden Betrüger E-Mails, in denen behauptet wird, das BZSt habe eine „Action Refund LtD“ mit der Auszahlung von Entschädigungen beauftragt und dem Empfänger stünde eine Entschädigung zu. Der Mail-Empfänger wird im weiteren Schritt dazu aufgefordert sich zu verifizieren. Machen Sie dies nicht! Das BZSt warnt ausdrücklich davor, auf diese Betrugs-E-Mail zu reagieren bzw. angegebene Links in der E-Mail zu öffnen.Betrugs-SMS erkennen Sie unter anderem an folgenden Kriterien: Steuerbescheide und Zahlungsaufforderungen werden vom BZSt nur per Brief zugestellt, niemals per SMS. Zahlungen sind ausnahmslos per Überweisung auf ein inländisches Konto der Bundeskasse zu leisten. Die Fälschungen sind oftmals in schlechtem Deutsch mit Rechtschreibfehlern verfasst. Häufig werden Fachbegriffe falsch verwendet. Echte Bescheide tragen immer den Namen und die Telefonnummer der/des verantwortlichen Bearbeiterin / Bearbeiters.Betrugs-E-Mails erkennen Sie unter anderem an folgenden Kriterien: Steuerbescheide und Zahlungsaufforderungen werden vom BZSt nur per Brief zugestellt, niemals per E-Mail. Etwas anderes gilt nur dann, wenn Sie einer Kontaktaufnahme per E-Mail ausdrücklich zugestimmt haben. Zahlungen sind ausnahmslos per Überweisung auf ein inländisches Konto der Bundeskasse zu leisten. Die Fälschungen sind oftmals in schlechtem Deutsch mit Rechtschreibfehlern verfasst. Häufig werden Fachbegriffe falsch verwendet. Echte Bescheide tragen immer den Namen und die Telefonnummer der/des verantwortlichen Bearbeiterin / Bearbeiters. Das BZSt wird Sie niemals bitten für die Zahlung einer vermeintlichen Steuerschuld einem übersandten Link zu folgen und dort ein Formular auszufüllen.Hinweis: Da das BZSt ein starkes Interesse daran hat, dass niemand durch solche betrügerischen Fälschungen geschädigt wird, bitten es Empfänger derartiger Nachrichten, bei dem geringsten Verdacht Kontakt mit dem BZSt aufzunehmen. Helfen Sie mit, solche Fälschungen aufzudecken und senden Sie verdächtige E-Mails und ggf. weitere Informationen mit Ihren Kontaktdaten an das BZSt. Sie erhalten eine Rückmeldung, wie Sie sich am besten verhalten sollen.Telefon: +49 (0)228 406 – 0 Fax: +49 (0)228 406 – 2661E-Mail: poststelle@bzst.bund.de De-Mail: poststelle@bzst.de-mail.de Postanschrift: Bundeszentralamt für Steuern, 53221 BonnQuelle: BZSt online, Meldungen vom 31.7.2023 sowie vom 1.8.2023; NWB

  • Kosten für Fettabsaugung zwecks Behandlung eines Lipödems steuerlich absetzbar

    Kosten für Fettabsaugung zwecks Behandlung eines Lipödems steuerlich absetzbar

    Die Kosten für eine Fettabsaugung (Liposuktion) zwecks Behandlung eines Lipödems sind jedenfalls seit 2016 auch dann als außergewöhnliche Belastungen steuerlich absetzbar, wenn weder ein amtsärztliches Gutachten noch eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorab eingeholt worden sind. Denn es handelt sich bei der Liposuktion jedenfalls seit 2016 um eine medizinisch anerkannte Heilbehandlung. Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten. Für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden ist nach dem Gesetz vorab ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen. Sachverhalt: Die Klägerin litt seit 2012 unter einem Lipödem (Störung der Fettverteilung im Körper). Auf Empfehlung ihres Arztes ließ sie im Jahr 2017 drei Liposuktionsbehandlungen durchführen, die von der Krankenkasse nicht erstattet wurden. Sie machte die Kosten daher als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das Finanzamt erkannte die außergewöhnlichen Belastungen nicht an und begründete dies damit, dass vorab ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung hätte eingeholt werden müssen. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt: Krankheitskosten sind grundsätzlich außergewöhnliche Belastungen, da sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Allerdings muss es sich um Kosten handeln, die zum Zweck der Heilung (Medikamente, Operation) oder die zum Zweck der Linderung der Krankheit (z. B. Rollstuhl) getätigt werden. Zwar ist bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden vorab ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einzuholen. Hierzu gehören etwa Frisch- und Trockenzellbehandlungen oder eine Eigenbluttherapie. Seit dem Jahr 2016 ist die Liposuktion aber eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Behandlung von Spontan- und Druckschmerz sowie der Ödem- und Hämatomneigung, insbesondere auch zur Behandlung eines Lipödems. Hierzu gibt es seit 2016 entsprechende wissenschaftliche Gutachten der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, der Bundesärztekammer sowie weiterer medizinischer Fachgesellschaften wie z.B. der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung. Der Abzug der Kosten als außergewöhnliche Belastungen setzte daher im Streitfall weder ein amtsärztliches Gutachten noch eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vor Durchführung der Liposuktion voraus.Hinweise: Eine Liposuktion stellt nach dem Urteil des BFH in der Regel keinen kosmetischen Eingriff dar, sondern dient der Linderung von Schmerzen sowie der Vermeidung von Sekundärerkrankungen. Der Klägerin kam zugute, dass sich die medizinische Sicht seit 2015 zugunsten der Liposuktion gewandelt hat, die seitdem als Behandlungsmethode wissenschaftlich anerkannt ist. Entscheidet sich der Steuerpflichtige für eine Behandlung, die wissenschaftlich nicht oder noch nicht anerkannt ist, werden die Kosten von der Krankenkasse nicht ersetzt. Damit stellt sich die Frage des steuerlichen Abzugs als außergewöhnliche Belastung, der aber im Fall fehlender wissenschaftlicher Anerkennung die vorherige Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung verlangt. Sollte dieses tatsächlich vorab eingeholt worden sein, könnte damit bereits die Erstattung durch die Krankenkasse beansprucht werden, so dass es keine außergewöhnliche Belastung mehr gibt. Quelle: BFH, Urteil v. 23.3.2023 – VI R 39/20; NWB

  • Erlass von Nachzahlungszinsen bei fehlerhafter zeitlicher Zuordnung von Umsätzen

    Erlass von Nachzahlungszinsen bei fehlerhafter zeitlicher Zuordnung von Umsätzen

    Hat der Unternehmer seine Umsätze zu Unrecht jeweils erst im Folgemonat angemeldet und korrigiert das Finanzamt diesen Fehler, indem es die Umsätze im zutreffenden Monat erfasst, können die sich hieraus ergebenden Nachzahlungszinsen zumindest teilweise erlassen werden. Der Erlass kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, dass es unterjährige Zinsvorteile, d.h. Zinsvorteile im laufenden Jahr, gegeben habe, die durch die Zinsfestsetzung abgeschöpft werden sollen. Hintergrund: Steuernachzahlungen werden verzinst, wenn die Nachzahlung auf einem Steuerbescheid beruht, der mindestens 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist, bekannt gegeben worden ist. Vorauszahlungen wie z.B. die Umsatzsteuervorauszahlungen werden nach dem Gesetz nicht verzinst. Sachverhalt: Die Klägerin war Unternehmerin und hatte keine Dauerfristverlängerung beantragt, so dass sie ihre monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen bis zum 10. Tag des Folgemonats abgeben musste. In den Streitjahren 2009 bis 2013 meldete sie 90 % ihrer Umsätze nicht in dem Monat an, in dem sie den Umsatz ausgeführt hatte, sondern erst im jeweiligen Folgemonat, wenn ihr die für die Rechnungserstellung erforderlichen Informationen von ihren Subunternehmern mitgeteilt wurden. Im Rahmen einer Außenprüfung bemerkte das Finanzamt den Fehler und korrigierte ihn in der Weise, dass es 90 % der im jeweiligen Januar der Jahre 2009 bis 2013 angemeldeten Umsätze dem Vorjahr zuordnete. Dies führte zu Nachzahlungszinsen von insgesamt ca. 2 Mio. €. Den Zinsfestsetzungen lag ein Zinslauf von 56 Monaten (für 2009), 44 Monaten (für 2010), 32 Monaten (für 2011), 20 Monaten (für 2012) und acht Monaten (für 2013) zugrunde. Die Klägerin beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen, den das Finanzamt unter Hinweis auf die unterjährig entstandenen Zinsvorteile ablehnte. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) hielt einen Erlass der Nachzahlungszinsen für möglich. Hierüber muss nun das Finanzamt ermessensfehlerfrei neu entscheiden: Ein Erlass von Steuern oder Nachzahlungszinsen ist möglich, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls aus persönlichen oder sachlichen Gründen unbillig wäre. Sachliche Unbilligkeit ist zu bejahen, wenn die Steuer- bzw. Zinsfestsetzung zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber im konkreten Fall den Wertungen des Gesetzgebers derart zuwiderläuft, dass ihre Erhebung unbillig erscheint und der Gesetzgeber einen Erlass gewährt hätte, wenn er den konkreten Fall als regelungsbedürftig erkannt hätte. Im Streitfall ist eine sachliche Unbilligkeit zu bejahen, da der Liquiditätsvorteil, der aufgrund der Zinsfestsetzung abgeschöpft werden soll, in Wirklichkeit nicht in dem Umfang vorhanden war, wie ihn das Finanzamt bei der Zinsfestsetzung zugrunde gelegt hat. Zwar hat die Klägerin im Laufe des jeweiligen Streitjahres Liquiditätsvorteile gehabt, weil sie 90 % ihrer Umsatzsteuern jeweils einen Monat zu spät angemeldet und abgeführt hat. Allerdings ist der über das jeweilige Streitjahr hinaus entstandene Vorteil, der sich daraus ergibt, dass die Umsätze des Dezembermonats erst im Januar des Folgejahres angemeldet worden sind, vor Beginn des Zinslaufs für das Vorjahr wieder ausgeglichen worden; denn die Klägerin hat die Umsatzsteuer für den Januar des Folgejahres umgehend gezahlt. Würde man den unterjährigen Liquiditätsvorteil, der z.B. dadurch entsteht, dass die Umsatzsteuer für März erst im Voranmeldungszeitraum April angemeldet worden ist, bei der Zinsfestsetzung berücksichtigen, käme es im Ergebnis zur Verzinsung von Vorauszahlungen, die nach dem Gesetz aber nicht verzinst werden dürfen.Hinweise: Der Bescheid, mit dem das Finanzamt den Erlassantrag abgelehnt hat, ist aufgehoben worden, so dass das Finanzamt erneut über den Erlassantrag entscheiden muss. Das Finanzamt wird nun zumindest einen Teilerlass gewähren müssen. Dieser könnte so aussehen, dass die Zinsen insoweit erlassen werden, als sie den tatsächlichen Liquiditätsvorteil für 90 % der jeweils im Dezember entstandenen Umsätze übersteigen. Dies würde dazu führen, dass statt eines Liquiditätsvorteils von ca. 47.000 € nur ca. 15.000 € anzusetzen wären. Die zeitliche Zuordnung von Umsätzen zum richtigen Voranmeldungszeitraum ist in der Praxis kein seltenes Problem, wenn z.B. der Unternehmer Subunternehmer beschäftigt und von diesen die Informationen über die ausgeführten Umsätze erst nach Ablauf der Abgabefrist für den zutreffenden Voranmeldungszeitraum erhält. Richtigerweise muss dann die fehlerhafte Voranmeldung berichtigt werden. Im Streitfall ist dies jedoch unterblieben; stattdessen sind die Umsätze im folgenden Voranmeldungszeitraum angemeldet worden. Das aktuelle Urteil erleichtert in einem solchen Fall nun einen Teilerlass der Nachzahlungszinsen. Quelle: BFH, Urteil v. 23.2.2023 – V R 30/20; NWB

  • Bekanntgabefiktion für Steuerbescheide gilt auch bei nicht täglicher Postzustellung

    Bekanntgabefiktion für Steuerbescheide gilt auch bei nicht täglicher Postzustellung

    Die gesetzliche Fiktion, nach der ein Steuerbescheid drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, ist auch dann anwendbar, wenn innerhalb des Dreitageszeitraums die Post an zwei Tagen nicht zugestellt worden ist, weil es sich um einen Sonnabend und Sonntag handelte, an denen die Post nicht ausgetragen wird. Hintergrund: Nach dem Gesetz gilt ein Bescheid am dritten Tage nach Aufgabe zur Post durch das Finanzamt als bekannt gegeben, es sei denn, er ist zu einem späteren Tag oder gar nicht zugegangen. Mit Ablauf des Tags der Bekanntgabe des Bescheids beginnt die Einspruchsfrist oder – bei Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung – die Klagefrist. Beide Fristen betragen einen Monat.Sachverhalt: Der Kläger hatte gegen seinen Steuerbescheid Einspruch eingelegt. Das Finanzamt wies den Einspruch mit einer Einspruchsentscheidung, die das Datum 28.1.2022 (Freitag) trug, zurück. Der Kläger erhob hiergegen Klage; die Klage ging am 3.3.2022 beim Finanzgericht ein. Er machte geltend, dass die Einspruchsentscheidung erst am Donnerstag, dem 3.2.2022 bei seinem Bevollmächtigten eingegangen sei. Weder am Sonnabend noch am Sonntag werde im Bezirk seines Bevollmächtigten die Post ausgetragen. Entscheidung: Das FG Münster (FG) wies die Klage ab: Nach der gesetzlichen Bekanntgabefiktion gilt die Einspruchsentscheidung vom 28.1.2022 am 31.1.2022, einem Montag, als bekannt gegeben. Damit begann die Klagefrist am 1.2.2022 und endete am 28.2.2022. Die Klageschrift ist aber erst am 3.3.2022 bei Gericht eingegangen. Die Einspruchsentscheidung ist am 28.1.2022 zur Post aufgegeben worden. Hierfür spricht die vom Finanzamt dargelegte Organisation der Postaufgabe innerhalb des Finanzamts sowie die beim Postdienstleister eingeholte Auskunft, die die entsprechenden Sendungsdetails benannt hat. Der Kläger konnte keine Zweifel an einer Bekanntgabe am 31.1.2022 benennen. Allein ein abweichender Eingangsvermerk der Kanzlei des Bevollmächtigten auf der Einspruchsentscheidung genügt nicht, zumal nicht klar ist, welcher Mitarbeiter den Eingangsvermerk angebracht hat. Die Zweifel ergeben sich auch nicht daraus, dass die Post am Sonnabend, dem 29.1.2022, sowie am Sonntag, dem 30.1.2022, nicht ausgetragen worden ist. Denn zwei zustellfreie Tage stellen keine atypische Konstellation dar, die gegen die Dreitagesfiktion sprechen. Zudem hat der Postdienstleister eine Zustellquote von 95,5 % für eine Postzustellung am zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Tag nachgewiesen. Hinweise: Das FG Berlin-Brandenburg hat vor kurzem in einem vergleichbaren Fall entgegengesetzt entschieden und die Dreitagesfiktion abgelehnt, wenn die Post nur an fünf Tagen pro Woche ausgetragen wird. Die Zweifel an der Dreitagesfiktion rühren daher, dass die Post nicht mehr durchgängig an sechs Tagen pro Woche ausgetragen wird, sondern zunehmend nur noch an fünf Tagen pro Woche. Das Finanzgericht hat im aktuellen Fall die Revision zugelassen, so dass bei Einlegung der Revision der Bundesfinanzhof über die Anwendbarkeit der Dreitagesfiktion in Fällen der nur eingeschränkten Postzustellung entscheiden muss. Nicht erörtert hat das Finanzgericht die Frage, ob der Bevollmächtigte ein Posteingangsbuch geführt und in diesem den Posteingang mit dem 3.2.2022 eingetragen hat oder ob der Briefumschlag, in dem sich die Einspruchsentscheidung befand, aufgehoben worden ist. Denn mit einem Posteingangsbuch und einem Briefumschlag, der z.B. einen Poststempel vom 1.3.2022 enthält, können Zweifel an der Dreitagesfiktion begründet werden. Quelle: FG Münster, Urteil v. 11.5.2023 – 8 K 520/22 E, #Rev. zugelassen; NWB

  • Besteuerung der Gewinne aus Online-Poker

    Besteuerung der Gewinne aus Online-Poker

    Auch Gewinne aus dem Online-Pokerspiel können als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Einkommensteuer unterliegen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich entschieden.Hintergrund: Gewerbliche Einkünfte sind steuerbar. Gewerbebetrieb ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Hinzukommen muss, dass die Grenzen der privaten Vermögensverwaltung überschritten sind.Sachverhalt: Der Kläger, ein Mathematikstudent, hatte im Jahr 2007 mit dem Online-Pokerspiel – in der Variante „Texas Hold´em/Fixed Limit“ – begonnen. Ausgehend von zunächst kleinen Einsätzen und Gewinnen steigerte er seine Einsätze allmählich. Auch seine Gewinne stiegen im Zeitablauf erheblich an. Im Streitjahr 2009 erzielte er aus dem Online-Pokerspiel bereits einen Gewinn von über 80.000 €, der in den Folgejahren weiter anstieg. Allein im Zeitraum von Juli bis Dezember 2009 belief sich seine registrierte Gesamtspielzeit auf 673 Stunden.Das Finanzgericht der ersten Instanz hat den Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass der Kläger ab Oktober 2009 gewerblich tätig gewesen sei und demzufolge der in den Monaten Oktober bis Dezember 2009 erzielte Gewinn von gut 60.000 € der Einkommensteuer unterliege.Entscheidung: Diese Auffassung hat der BFH bestätigt: Poker in einkommensteuerrechtlicher Hinsicht kein reines Glücksspiel, sondern auch durch Geschicklichkeitselemente gekennzeichnet. Dies gilt auch beim Online-Poker, selbst wenn dort kein persönlicher Kontakt zu den Mitspielern möglich ist.Allerdings unterliegt nach der Rechtsprechung des BFH – unabhängig von der Form des Pokerspiels – nicht jeder Pokerspieler der Einkommensteuer. Für Freizeit- und Hobbyspieler handelt es sich weiterhin um eine private Tätigkeit, bei der Gewinne – und auch Verluste – keine steuerliche Auswirkung haben. Wenn jedoch der Rahmen einer privaten Hobbytätigkeit überschritten wird und es dem Spieler nicht mehr um die Befriedigung seiner Spielbedürfnisse geht, sondern um die Erzielung von Einkünften, ist sein Handeln als gewerblich anzusehen. Maßgebend ist die strukturelle Vergleichbarkeit mit einem Gewerbetreibenden bzw. Berufsspieler, z.B. die Planmäßigkeit des Handelns, die Ausnutzung eines Marktes oder der Umfang des investierten Geld- und Zeitbudgets.Quelle: Bundesfinanzhof, Pressemitteilung zum Urteil vom 22.2.2023 – X R 8/21; NWB

  • <div>Kosten für „Essen auf Rädern“ nicht steuerlich absetzbar</div>

    Kosten für „Essen auf Rädern“ nicht steuerlich absetzbar

    Die Kosten eines pflegebedürftigen Ehepaares für „Essen auf Rädern“ sind nicht als außergewöhnliche Belastungen absetzbar. Denn Aufwendungen für die Verpflegung gehören zu den üblichen Kosten der Lebensführung und sind daher nicht zwangsläufig. Hintergrund: Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehen, weil er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und die notwendig und angemessen sind, können als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Ein typisches Beispiel hierfür sind Krankheitskosten.Sachverhalt: Die Kläger waren im Streitjahr 2019 verheiratet und zu 100 % schwerbehindert. Außerdem war für den Ehemann der Pflegegrad 2 und für die Ehefrau der Pflegegrad 3 festgestellt worden. Die Kläger bestellten im Jahr 2019 „Essen auf Rädern“ und zahlten hierfür ca. 1.500 €, die sie als außergewöhnliche Belastungen geltend machten und die das Finanzamt nicht anerkannte. Entscheidung: Das Finanzgericht Münster (FG) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Der Abzug außergewöhnlicher Belastungen setzt zwangsläufige Aufwendungen voraus, die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen nicht entstehen. Aufwendungen für die Verpflegung sind grundsätzlich nicht zwangsläufig, wenn sie nicht unmittelbar der Heilung einer Krankheit dienen. Vielmehr gehören Kosten für die Verpflegung zu den üblichen Kosten für die Lebensführung, zumal das im Streitfall gelieferte Essen wie z.B. panierte Alaska-Lachshappen im mittleren Preisbereich von ca. 7 bis 9 € pro Mahlzeit lag. Außergewöhnliche Belastungen sind auch dann zu verneinen, wenn krankheitsbedingt höhere Kosten für die Verpflegung entstehen; denn nach dem Gesetz werden Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, ausdrücklich nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Auch die Lieferkosten gehören nicht zu den außergewöhnlichen Belastungen, da die Lieferung von Essen heutzutage weit verbreitet und daher nicht außergewöhnlich ist. Hinweise: Die Kläger können aber einen Behinderten-Pauschbetrag geltend machen, der bei einer Behinderung von 100 % aktuell 2.840 € beträgt. Quelle: FG Münster, Urteil v. 27.4.2023 – 1 K 759/21 E; NWB

  • Änderung des Antragsrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

    Änderung des Antragsrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes

    Zwar kann ein steuerliches Antrags- oder Wahlrecht grundsätzlich noch so lange geändert werden, wie die Einspruchsfrist gegen den Steuerbescheid läuft oder der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht. Wird das Antragsrecht aber im Rahmen eines Einspruchs gegen einen Änderungsbescheid geändert, ist dies nur zulässig, soweit der Änderungsbescheid zu einer höheren Steuer geführt hat. Hintergrund: An verschiedenen Stellen gewährt der Gesetzgeber ein Wahlrecht oder aber eine nur auf Antrag gewährte Vergünstigung. Hierzu gehört z.B. die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf Veräußerungsgewinne, der nur einmal im Leben auf Antrag gewährt wird. Wird ein Steuerbescheid, dessen Einspruchsfrist abgelaufen ist und der auch nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, zugunsten des Steuerpflichtigen geändert, ist hiergegen ein Einspruch nicht zulässig. Erfolgt die Änderung zulasten des Steuerpflichtigen, ist der Einspruch zulässig, soweit die Steuer erhöht worden ist. Sachverhalt: Die Kläger waren Eheleute und veräußerten im Jahr 2007 eine Beteiligung an der X-KG. Hierfür stellten sie einen Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, der nur einmal im Leben gestellt werden kann. Das Finanzamt gab dem Antrag im Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 27.3.2014 statt. Anfang 2016 erging für die X-KG ein Feststellungsbescheid, in dem der Veräußerungsgewinn der Kläger deutlich niedriger festgestellt wurde. Das für die Kläger zuständige Finanzamt erließ daraufhin am 18.1.2016 einen geänderten Einkommensteuerbescheid mit einer niedrigeren Einkommensteuer. Am 28.1.2016 nahmen die Kläger ihren Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Veräußerungsgewinn für 2007 zurück. Stattdessen stellten sie den Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nun für das Jahr 2014, in dem sie ihre Beteiligung an der Y-KG mit hohem Gewinn verkauft hatten. Das Finanzamt lehnte eine Änderung des Steuerbescheids für 2007 ab. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Die Kläger können ihren Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Veräußerungsgewinn des Jahres 2007 nicht mehr zurücknehmen. Zwar haben sie die Antragsrücknahme in der Einspruchsfrist des Änderungsbescheids vom 18.1.2016 erklärt. Allerdings war ein Einspruch gegen diesen Änderungsbescheid aufgrund der gesetzlichen Beschränkung der Anfechtungsbefugnis nicht mehr zulässig. Denn der Änderungsbescheid führte zu einer niedrigeren Steuer als der vorherige Bescheid vom 27.3.2014, und der Bescheid vom 27.3.2014 war bereits formell und materiell bestandskräftig geworden, d.h. die Einspruchsfrist war bereits abgelaufen, und der Bescheid vom 27.3.2014 stand auch nicht mehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Auch wenn der Bescheid vom 18.1.2016 danach nicht mehr mit einem Einspruch angefochten werden kann, wäre die Antragsrücknahme dennoch möglich, wenn es eine Korrekturvorschrift gäbe. Eine solche Korrekturvorschrift ist im Streitfall aber nicht vorhanden. Die Korrektur eines Bescheids zwecks Anpassung an einen Grundlagenbescheid wie den Feststellungsbescheid für die X-KG ermöglicht darüber hinaus keine Korrektur des einkommensteuerlichen Antragsrechts auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Veräußerungsgewinne. Die Rücknahme des Antrags ist auch kein rückwirkendes Ereignis, das eine Änderung des Steuerbescheids ermöglichen würde. Auch eine Saldierung scheidet aus, weil diese nur dann möglich wäre, wenn das Finanzamt die Einkommensteuer erhöht hätte. Hinweise: Für das Streitjahr 2007 ist das Ergebnis für die Kläger trotz des Unterliegens vor Gericht vorteilhaft, weil ihnen der ermäßigte Steuersatz auf den – im Nachhinein geminderten – Veräußerungsgewinn verbleibt. Da der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nur einmal im Leben gestellt werden kann, ist ihnen aber der Antrag auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für 2014 versperrt. Der im Jahr 2014 erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der Y-KG war höher als der im Jahr 2007 erzielte Gewinn aus der Veräußerung an der X-KG, so dass dies für die Kläger insgesamt nachteilig ist. Der BFH lehnt es ausdrücklich ab, das Antragsrecht zugunsten der Steuerpflichtigen zu erweitern. Dem BFH zufolge ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, seine aktuellen und künftigen Einkünfte so genau zu prognostizieren, dass er sein Antragsrecht steuerlich optimal ausüben kann. Quelle: BFH, Urteil v. 20.4.2023 – III R 25/22; NWB