Kosten für die Verabschiedung des Vorstandsvorsitzenden als Arbeitslohn
Übernimmt eine Bank die Kosten für die Veranstaltung anlässlich der Verabschiedung ihres Vorstandsvorsitzenden, führt dies nur dann zu Arbeitslohn beim Vorstandsvorsitzenden, wenn die Kosten pro Teilnehmer eine Freigrenze von 110 € übersteigen und soweit die Kosten der Veranstaltung auf den Vorstandsvorsitzenden und auf die privaten Gäste des Vorstandsvorsitzenden entfallen. Der Vorstandsvorsitzende muss also nicht die gesamten Kosten der Veranstaltung als Arbeitslohn versteuern. Hintergrund: Die Teilnahme an einer betrieblichen Veranstaltung kann zu Arbeitslohn führen. Das Gesetz sieht bei Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung einen Freibetrag von 110 € pro Teilnehmer vor, der maximal jeweils für zwei Veranstaltungen im Jahr gewährt wird. Die Finanzverwaltung behandelt in ihren Richtlinien die gesamten Kosten einer Veranstaltung des Arbeitgebers, die eine Diensteinführung, einen Amtswechsel, eines runden Arbeitnehmerjubiläums oder die Verabschiedung eines Arbeitnehmers betrifft, als Arbeitslohn, wenn pro Teilnehmer die Freigrenze von 110 € überschritten wird. Handelt es sich hingegen um eine Veranstaltung des Arbeitgebers anlässlich eines runden Geburtstags des Arbeitnehmers, werden nur die Kosten, die auf den Arbeitnehmer und seine privaten Gäste entfallen, als Arbeitslohn behandelt, wenn die Kosten pro Teilnehmer eine Freigrenze von 110 € übersteigen.Sachverhalt: Die Klägerin war eine Bank, bei der es zu einem Wechsel des Vorstandsvorsitzenden X kam, weil der bisherige Vorstandsvorsitzende in den Ruhestand ging. Die Klägerin führte eine Veranstaltung anlässlich des Wechsels durch und lud 300 Gäste aus den Bereichen Politik, Verwaltung und Wirtschaft sowie ausgewählte Arbeitnehmer ein. Auf Vorschlag des X lud die Klägerin auch acht Angehörige des X ein. Die Feier fand in den Geschäftsräumen der Klägerin statt. Die Kosten für die Veranstaltung überstiegen pro Teilnehmer 110 € und wurden von der Klägerin übernommen. Das Finanzamt sah die gesamten Veranstaltungskosten als Arbeitslohn des X an und erließ einen Lohnsteuer-Haftungsbescheid gegen die Klägerin. Die Klägerin war der Auffassung, dass nur der auf X und die acht Angehörigen entfallende Teil der Kosten Arbeitslohn darstellte. Entscheidung: Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage statt: Der Empfang, den der Arbeitgeber anlässlich eines besonderen Ereignisses eines seiner Arbeitnehmer ausrichtet, kann zu Arbeitslohn führen, wenn es sich um ein Fest des Arbeitnehmers und nicht um ein Fest des Arbeitgebers handelt. Im Streitfall handelte es sich um ein Fest des Arbeitgebers, nämlich der Klägerin. Denn die Klägerin trat als Gastgeber auf, sie bestimmte die Gästeliste, lud überwiegend Geschäftsfreunde und -kunden ein, führte das Fest in ihren Räumen durch, und es gab einen betrieblichen Anlass, nämlich den Wechsel des Vorstandsvorsitzenden. Der Umstand, dass die Klägerin auf Vorschlag des X auch acht Familienangehörige des X eingeladen hatte, trat angesichts des betrieblichen Charakters des Festes in den Hintergrund. Zu Arbeitslohn des X kam es aber, soweit der X und seine acht Angehörigen an der Veranstaltung teilgenommen hatten und weil die Kosten pro Teilnehmer die Freigrenze von 110 € überstiegen hatten. Dies ergibt sich aus den Richtlinien der Finanzverwaltung für Veranstaltungen anlässlich eines runden Geburtstags. Zwar setzt die Finanzverwaltung bei einer Veranstaltung, die eine Diensteinführung, einen Amtswechsel oder die Verabschiedung eines Arbeitnehmers betrifft, die gesamten Veranstaltungskosten als Arbeitslohn an, wenn die Kosten pro Teilnehmer die Freigrenze von 110 € übersteigen; diese Handhabung ist jedoch widersprüchlich, weil ein runder Geburtstag einen deutlich stärkeren privaten Charakter hat als eine Diensteinführung, ein Amtswechsel oder eine Verabschiedung eines Arbeitnehmers, und daher nicht anzuwenden. Hinweise: Der sich danach ergebende Arbeitslohn kann pauschal mit 30 % versteuert werden. Nach dem Urteil waren die übrigen Kosten der Veranstaltung, soweit sie also auf die übrigen 300 Gäste entfielen, kein Arbeitslohn des X. Hätten die Kosten pro Teilnehmer im Streitfall maximal 110 € betragen, wäre das Finanzamt nach den Richtlinien der Finanzverwaltung nicht zu Arbeitslohn gelangt.Das FG hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen, so dass die abschließende Entscheidung dem BFH obliegt. Der BFH wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, ob die in den Verwaltungsrichtlinien genannte Freigrenze von 110 € im Streitfall überhaupt noch galt oder ob sie nicht bereits durch den gesetzlichen Freibetrag von 110 € ersetzt worden ist, so dass nur der übersteigende Betrag als Arbeitslohn zu erfassen wäre. Außerdem wird der BFH prüfen müssen, ob eine Richtlinie der Finanzverwaltung, die nur für runde Geburtstage gilt, durch ein Gericht auf Veranstaltungen anlässlich eines Amtswechsels angewendet werden kann. Quelle: Niedersächsisches FG, Urteil vom 23.4.2024 – 8 K 66/22, Rev. beim BFH: Az. VI R 18/24; NWB