Kein Spekulationsgewinn bei entgeltlichem Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht

Verzichtet ein Steuerpflichtiger innerhalb der Spekulationsfrist
gegen Entschädigung auf einen Nießbrauch, den er an einem Grundstück hat, führt
dies nicht zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn. Denn der
entgeltliche Verzicht stellt keine Veräußerung
dar
, die für einen Spekulationsgewinn erforderlich ist.

Hintergrund: Der innerhalb eines
Jahres nach Erwerb erzielte Gewinn aus dem Verkauf eines Wirtschaftsguts, das
keine Immobilie ist und zum Privatvermögen gehört, führt zu einem
steuerpflichtigen Spekulationsgewinn. Wird das Wirtschaftsgut zumindest in
einem Kalenderjahr als Einkünftequelle genutzt, verlängert sich die
Spekulationsfrist auf zehn Jahre.

Sachverhalt: Die Klägerin
erlangte im Jahr 2008 ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück. Im Zeitraum
2012 bis 2018 gehörte das Nießbrauchsrecht zu ihrem Sonderbetriebsvermögen bei
der A-KG. Im Jahr 2018 schied die Klägerin aus der A-KG aus, sodass das
Nießbrauchsrecht aus ihrem Sonderbetriebsvermögen in ihr Privatvermögen zum
Wert von 0 € entnommen wurde. Die Klägerin erzielte aus dem Nießbrauch
nun Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Am 6.11.2019 verzichtete die
Klägerin auf ihr Nießbrauchsrecht gegen Zahlung einer Entschädigung. Das
Finanzamt nahm einen Spekulationsgewinn an.

Entscheidung: Das Finanzgericht
Münster (FG) gab der Klage statt:

  • Zwar ist das Nießbrauchsrecht als Nutzungsrecht an einem
    Grundstück ein Wirtschaftsgut.

  • Die Klägerin hat das Nießbrauchsrecht auch angeschafft; der
    Gesetzgeber fingiert nämlich die Entnahme aus dem Betriebsvermögen in das
    Privatvermögen als Anschaffung. Eine Entnahme ist im Streitfall im Jahr 2018
    erfolgt, als das Nießbrauchsrecht aus dem Sonderbetriebsvermögen der Klägerin
    in ihr Privatvermögen entnommen worden ist.

  • Allerdings fehlt es an einer Veräußerung. Eine Veräußerung
    setzt eine entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten
    voraus, mithin einen Rechtsträgerwechsel. Veräußerungsähnliche Vorgänge können
    hingegen nicht zu einem steuerpflichtigen Spekulationsgewinn führen.

  • Der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht führte zum Erlöschen des
    Nießbrauchsrechts. Es ging nicht auf einen Dritten über, wie dies für eine
    Veräußerung erforderlich wäre. Ein Nießbrauch ist nicht übertragbar, sondern
    erlischt entweder mit dem Tod des Nießbrauchsberechtigten oder wird durch
    Verzicht und Löschung im Grundbuch aufgehoben.

Hinweis: Das FG legt den Begriff
der Veräußerung im Rahmen der Besteuerung von Spekulationsgewinnen eng aus.
Veräußerungsähnliche Vorgänge werden nicht erfasst und sind daher nicht
steuerpflichtig.

Zu beachten ist, dass es einzelne Vorschriften im Steuerrecht gibt,
die veräußerungsähnliche Vorgänge erfassen bzw. Veräußerungen fingieren. So
gilt z.B. die Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen als
Veräußerung, wenn das Wirtschaftsgut nach der Einlage veräußert wird und diese
Veräußerung innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren seit Anschaffung des
Wirtschaftsguts erfolgt. Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steht z.B. der
Ausfall einer Kapitalforderung einer Veräußerung gleich und kann daher zu einem
Verlust aus Kapitalvermögen führen.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 12.12.2023 – 6 K 2489/22 E;
NWB