Keine umsatzsteuerliche Ist-Versteuerung für bilanzierenden Freiberufler

Eine freiberuflich tätige
Partnerschaft, die freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Verpflichtung
bilanziert, unterliegt der umsatzsteuerlichen Soll-Versteuerung und muss daher
die Umsatzsteuer bereits mit Ausführung ihrer Umsätze an das Finanzamt
abführen. Aufgrund ihrer freiwilligen Bilanzierung gilt für sie nicht die
Ist-Versteuerung, nach der die Umsatzsteuer erst bei Bezahlung durch ihre
Vertragspartner abzuführen wäre.

Hintergrund: Auf Antrag
kann das Finanzamt einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen
gestatten, die sog. Ist-Versteuerung anzuwenden, so dass er die Umsatzsteuer
erst dann abführen muss, wenn er das Entgelt von seinem Kunden erhält. Die
Ist-Versteuerung ist u.a. zulässig, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen
Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 € betragen hat oder wenn der
Unternehmer von der Buchführungs- und Inventurpflicht befreit ist oder soweit
der Unternehmer Umsätze als Freiberufler ausführt. Liegen diese Voraussetzungen
nicht vor, gilt die Soll-Versteuerung, so dass der Unternehmer die Umsatzsteuer
bereits dann abführen muss, wenn er seine Leistung erbracht hat, ohne dass es
auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt.

Sachverhalt: Die Klägerin
war eine Partnerschaft, die aus Rechtsanwälten, Steuerberatern und
Wirtschaftsprüfern bestand und freiwillig bilanzierte. Das Finanzamt hatte der
Klägerin ursprünglich die Ist-Versteuerung gestattet, widerrief die Gestattung
aber ab dem 1.1.2019. Die Klägerin stellte erneut einen Antrag auf Gestattung
der Ist-Besteuerung für Zeiträume ab 1.1.2021. Diesen Antrag lehnte das
Finanzamt ab. Hiergegen klagte die Klägerin.

Entscheidung: Das
Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) wies die Klage ab:

  • Zwar war der Gesetzeswortlaut
    für eine Gestattung der Ist-Versteuerung erfüllt; denn die Klägerin war
    freiberuflich tätig, so dass eine der Voraussetzungen für die Ist-Versteuerung
    gegeben war. Die beiden anderen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, da die
    Klägerin über der damaligen Umsatzgrenze von 600.000 € (aktuell sind es
    800.000 €) lag und auch nicht von der Buchführung befreit war.

  • Obwohl die Klägerin
    freiberuflich tätig war, hatte sie keinen Anspruch auf die
    Gestattung der Ist-Versteuerung
    ; denn die Klägerin
    bilanzierte freiwillig. Zwar äußert sich das Gesetz nicht zu dem Fall der
    freiwilligen Bilanzierung. Die gesetzliche Gestattung der Ist-Versteuerung für
    Freiberufler steht aber im Zusammenhang mit der gesetzlichen Befreiung der
    Freiberufler von der Buchführungspflicht. Da ein Freiberufler nicht
    buchführungspflichtig ist, soll er die Umsätze auch der Ist-Versteuerung
    unterwerfen und daher die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten vornehmen
    können. Bilanziert der Freiberufler freiwillig, gibt es keinen
    Grund für die Ist-Versteuerung.
    Vielmehr entspricht die
    Soll-Versteuerung der Bilanzierung, weil bei der Bilanzierung bereits die
    Forderung erfasst wird.

Hinweise: Das FG stützt
sich auf eine Entscheidung des BFH, der eine Ist-Versteuerung bei Freiberuflern
im Fall der Bilanzierung abgelehnt hatte. Allerdings hatte der BFH diese
Aussage nur in einem nicht tragenden Teil des Urteils geäußert. Das FG hat
daher die Revision zum BFH zugelassen, damit dieser überprüfen kann, ob er an
seiner bisherigen Entscheidung festhält; die Klägerin hat die Revision
zwischenzeitlich eingelegt.

Quelle: FG Baden-Württemberg,
Urteil vom 9.7.2024 – 9 K 86/24, Rev. beim BFH: V R 16/24; NWB