Übertragung von Zinsansprüchen auf Tochter-Kapitalgesellschaft

Überträgt die Gesellschafterin einer GmbH aufgelaufene Zinsen, die
noch nicht fällig, aber bereits entstanden sind, ohne Gegenleistung auf die
GmbH, stellt dies eine gewinnneutrale verdeckte Einlage dar, die das Einkommen
der Gesellschafterin und der GmbH nicht verändert. Die Übertragung der
aufgelaufenen Zinsen ist nämlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst.

Hintergrund: Unter einer
verdeckten Einlage ist die unentgeltliche oder verbilligte Zuwendung eines
bilanzierbaren Vermögensvorteils auf eine Kapitalgesellschaft zu verstehen, die
durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Die verdeckte Einlage wird
bei der Kapitalgesellschaft einkommensneutral berücksichtigt, erhöht also nicht
ihren Gewinn.

Sachverhalt: Die Klägerin war
Alleingesellschafterin der AB-GmbH, die über hohe Verlustvorträge verfügte.
Gewinne waren bei der AB-GmbH nicht mehr zu erwarten. Die Klägerin wollte der
AB-GmbH Erträge zuwenden, damit die AB-GmbH die Verlustvorträge nutzen kann.
Daher schloss die Klägerin zunächst bei der G-Bank zwölf
Wertpapierpensionsgeschäfte über festverzinsliche Wertpapiere ab. Anschließend
vereinbarte sie mit der AB-GmbH zwölf Wertpapierdarlehen, die jeweils nur über
zwei bis sechs Wochen liefen; allerdings fiel in die jeweilige Laufzeit der
Zinstermin, in der die Zinsen für das jeweilige Wertpapier für ein Jahr gezahlt
wurden. Die AB-GmbH erhielt auf diese Weise die Zinsen für ein Jahr und musste
nach den mit der Klägerin geschlossenen Wertpapierdarlehensverträgen keine
Kompensation an die Klägerin entrichten. Den sich hieraus ergebenden Ertrag
verrechnete die AB-GmbH mit ihren Verlustvorträgen, während die Klägerin ihre
Kompensationszahlungen, die sie an die G-Bank leisten musste, als
Betriebsausgaben behandelte. Das Finanzamt erkannte den Aufwand der Klägerin
nicht an, sondern setzte eine verdeckte Einlage an.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) folgte dem Finanzamt und wies die Klage ab:

  • Die Klägerin hat eine verdeckte Einlage in die AB-GmbH
    geleistet, indem sie die zu Beginn des jeweiligen Wertpapierdarlehensvertrags
    aufgelaufenen, aber noch nicht fälligen Zinsen ohne Gegenleistung
    (Kompensationszahlung) auf die AB-GmbH übertragen hat. Die AB-GmbH konnte diese
    aufgelaufenen Zinsen kurze Zeit später bei Fälligkeit vereinnahmen, ohne für
    die Zuwendung der aufgelaufenen Zinsen etwas an die Klägerin zahlen zu müssen.

  • Die Übertragung der aufgelaufenen Zinsen ohne
    Kompensationszahlung war durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil ein
    fremder Dritter eine Kompensationszahlung verlangt hätte.

  • Bei den aufgelaufenen Zinsen handelte es sich um einen
    bilanzierbaren Zinsanspruch, der daher auch – anders als ein bloßer
    Nutzungsvorteil – einlagefähig war.

Hinweise: Im Ergebnis hat die
Klägerin der AB-GmbH die Zinsen für den Zeitraum, für den sie mit der AB-GmbH
keinen Wertpapierdarlehensvertrag abgeschlossen hat, zugewendet. Auf diese
Weise sollte bei der AB-GmbH ein Ertrag entstehen, der aufgrund der vorhandenen
Verlustvorträge keine Steuern auslöste, während bei der Klägerin entsprechender
Aufwand entsteht, der den Gewinn und die Steuerlast mindert.
Dieses Gestaltungsmodell hat der BFH nicht
akzeptiert
, sondern die Zuwendung der aufgelaufenen Zinsen an
die AB-GmbH als verdeckte Einlage qualifiziert, die einkommensneutral verläuft.

Bei der Klägerin erhöht sich aufgrund der verdeckten Einlage der
Bilanzwert ihrer Beteiligung an der AB-GmbH.

Quelle: BFH, Urteil v. 15.3.2023 – I R 24/20; NWB