Unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs bei Vorbehaltsnießbrauch bzw. gegen Versorgungsleistungen

Die unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs unter dem
Vorbehalt des Nießbrauchs führt beim bisherigen Betriebsinhaber zu einer
Entnahme der bisher betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter zum Teilwert; eine
Fortführung des Buchwerts ist hingegen nicht möglich, da der bisherige
Betriebsinhaber aufgrund des Vorbehaltsnießbrauchs seine Tätigkeit nicht
einstellt. Wird der Betrieb hingegen im Wege der Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen auf einen nahen Angehörigen übertragen, erfolgt keine
Entnahme zum Teilwert, sondern der Übernehmer kann die Buchwerte fortführen.

Hintergrund: Der Gesetzgeber
ermöglicht bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs die Fortführung
der Buchwerte, so dass der bisherige Betriebsinhaber keine stillen Reserven
versteuern muss.

Sachverhalt: Der Vater der
Klägerin war V, der ein Hotelgrundstück besaß und dieses verpachtete. Da er das
Hotel zuvor selbst betrieben und keine Betriebsaufgabe erklärt hatte, erzielte
er aus der Hotelverpachtung gewerbliche Einkünfte. Mit notariellem Vertrag vom
28.12.1995 schenkte V das Hotelgrundstück seiner Tochter, der Klägerin, sowie
seinem Sohn S jeweils zu hälftigem Miteigentum unter Vorbehaltsnießbrauch, so
dass V weiterhin die Pachteinnahmen erhalten sollte. Etwa einen Monat später,
am 26.1.1996, verzichtete V auf seinen Nießbrauch; stattdessen wurde die
Zahlung einer monatlichen Rente an ihn in Höhe von mindestens 5.000 DM
vereinbart. Im Jahr 1998 starb V. Im Jahr 2012 setzten sich die Klägerin und S,
die die Verpachtung des Hotelgrundstücks bis dahin als Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben hatten, auseinander. Die Klägerin war der
Auffassung, dass der hieraus entstandene Gewinn nicht steuerpflichtig gewesen
sei, weil das Hotelgrundstück zum Privatvermögen gehört habe.

Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das
Finanzgericht (FG) zurück:

Das Hotelgrundstück gehörte zum Betriebsvermögen. Insoweit kommt
es nicht darauf an, ob von einer unentgeltlichen Übertragung des Betriebs durch
V im Jahr 1995 unter Vorbehaltsnießbrauch oder von einer Vermögensübergabe
gegen Versorgungsleistungen im Jahr 1996 auszugehen ist:

  • Bei einer unentgeltlichen Übertragung des verpachteten
    Hotelbetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch wäre es zwar beim Vater zunächst zu
    einer Entnahme der bisher betrieblich genutzten Wirtschaftsgüter in das
    Privatvermögen gekommen. Mit dem Tod des Vaters im Jahr 1998 wäre der
    gewerbliche Verpachtungsbetrieb aber auf die Klägerin übergegangen und bei ihr
    notwendiges Betriebsvermögen geworden. Die Wirtschaftsgüter wären dann bei der
    Klägerin bzw. bei der GbR nicht mit dem niedrigeren Buchwert, sondern mit dem
    – in der Regel höheren – Teilwert zu bewerten
    gewesen.

  • Im Fall einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
    hätten die Buchwerte von der Tochter fortgeführt werden müssen. Der verpachtete
    Hotelbetrieb hätte also ebenfalls zum Betriebsvermögen gehört.

Die Klägerin hat somit im Jahr 2012 einen steuerpflichtigen Gewinn
im Rahmen der Auseinandersetzung erzielt, da sie Betriebsvermögen veräußert
hat. Die Höhe des Veräußerungsgewinns hängt aber davon ab, ob sie von dem
Veräußerungserlös den Teilwert (bei Annahme eines Vorbehaltsnießbrauchs) oder
aber nur den Buchwert (bei Annahme einer Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen) abziehen kann.

Hinweise: Der BFH geht davon
aus, dass die beiden Verträge vom 28.12.1995 (Übertragung unter
Vorbehaltsnießbrauch) und vom 26.1.1996 (Übertragung gegen
Versorgungsleistungen) aufgrund ihres engen zeitlichen Zusammenhangs und der
Bezugnahme in dem Vertrag vom 26.1.1996 auf den vorherigen Vertrag vom
28.12.1995 ein einheitliches Vertragswerk
bildeten, bei dem der zunächst vereinbarte Vorbehaltsnießbrauch am 26.1.1996
durch Versorgungszahlungen ersetzt werden sollte. Die Vermögensübergabe gegen
Versorgungsleistungen ist steuerlich nur anzuerkennen, wenn die
Vermögensübergabe zivilrechtlich wirksam vereinbart wurde, fremdüblich war und
auch tatsächlich durchgeführt wurde. Dies muss das FG nun prüfen.

Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wird
üblicherweise nur unter nahen Angehörigen vorgenommen und dient der
vorweggenommenen Erbfolge. Die Höhe der Versorgungsleistungen richtet sich
vorrangig nicht nach dem Wert des Betriebs, sondern nach dem Unterhaltsbedarf
des bisherigen Betriebsinhabers. Aus diesem Grund wird die Vermögensübergabe
gegen Versorgungsleistungen steuerlich als unentgeltlich angesehen und
ermöglicht daher die Buchwertfortführung.

Quelle: BFH, Urteil vom 8.8.2024 – IV R 1/20;
NWB