Wechselt ein Landwirt von der sog. Durchschnittssatzbesteuerung zur
„normalen“ Umsatzbesteuerung (sog. Regelbesteuerung), kann er die
Vorsteuer aus einer Eingangsleistung im Jahr vor dem Wechsel nicht abziehen.
Dies gilt auch dann, wenn er beabsichtigt, die Eingangsleistung für Umsätze zu
verwenden, die er nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung ausführen
will.
Hintergrund: Landwirte, deren
Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können die sog.
Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre Leistungen unterliegen dann einer
Umsatzsteuer von aktuell 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %), und im Gegenzug wird eine
pauschale Vorsteuer von 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %) berücksichtigt. Ein weiterer
Vorsteuerabzug ist nach dem Gesetz ausgeschlossen.
Sachverhalt: Die Klägerin
betrieb eine Landwirtschaft mit Milchkühen und wandte im Jahr 2021 die
Durchschnittssatzbesteuerung an. Allerdings lag ihr Umsatz im Jahr 2021 über
der Umsatzgrenze von 600.000 €, sodass sie im Jahr 2022 zur
Regelbesteuerung wechseln musste. Im Jahr 2021 bezog sie von einem anderen
Unternehmen eine Leistung für ihren Milchkuhbetrieb; im Rechnungsbetrag war die
Umsatzsteuer in Höhe von ca. 1.400 € gesondert ausgewiesen. Die Klägerin
machte die Vorsteuer im Jahr 2021 mit der Begründung geltend, dass sie die
Eingangsleistung für regelbesteuerte Umsätze im Jahr 2022 verwenden will. Das
Finanzamt erkannte die Vorsteuer nicht an und setzte die Umsatzsteuer für 2021
in Höhe von 0 € fest, indem es die Umsätze einer Umsatzsteuer von 10,7 %
unterwarf und eine Vorsteuer von 10,7 % pauschal berücksichtigte (aktuell sind
dies jeweils 9 %, ab 1.1.2024 8,4 %).
Entscheidung: Der
Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab:
-
Der Vorsteuerabzug im Jahr 2021 war ausgeschlossen, weil die
Klägerin die Durchschnittssatzbesteuerung anwandte. Bei der
Durchschnittssatzbesteuerung wird nur eine pauschale Vorsteuer anerkannt; ein
darüber hinausgehender Vorsteuerabzug ist
ausgeschlossen. -
Der Vorsteuerausschluss gilt auch dann, wenn der Landwirt zur
Regelbesteuerung wechselt und dieser Wechsel nicht freiwillig, sondern kraft
Gesetzes wegen Überschreitung der Umsatzgrenze von 600.000 € erfolgt. -
Die Klägerin hätte die Vorsteuer nur dann im Jahr 2021 geltend
machen können, wenn sie bereits im Jahr 2021 freiwillig zur Regelbesteuerung
optiert hätte.
Hinweis: Die Klägerin hat das
Klageverfahren zwar verloren. Sie kann aber ab 2022 die Vorsteuer zu ihren
Gunsten berichtigen, weil der Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur
Regelbesteuerung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Grund für eine
Vorsteuerberichtigung angesehen wird. Diese Berichtigung ermöglicht im Ergebnis
einen Abzug der Vorsteuer, soweit das im Jahr 2021 angeschaffte Wirtschaftsgut
ab 2022 für steuerpflichtige Umsätze, die der Regelbesteuerung unterliegen,
verwendet wird.
Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 14/22; NWB