Aktuelles
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Form der Klagerücknahme durch Steuerberater
Nimmt ein Steuerberater die beim Finanzgericht für seinen Mandanten erhobene Klage zurück, muss er hierfür das sog. besondere elektronische Postfach (beSt) benutzen und die Klagerücknahme mittels „beSt“ übermitteln. Anderenfalls ist die Klagerücknahme unwirksam, sodass das Finanzgericht über die Klage entscheiden muss. Hintergrund: Seit 1.1.2023 sind Steuerberater verpflichtet, für Schriftsätze an das Finanzgericht das sog. besondere elektronische Postfach (beSt) zu benutzen. Die Papierform oder das Telefax dürfen für Schriftsätze eines Steuerberaters an das Finanzgericht nicht mehr benutzt werden. Sachverhalt: Der Kläger ließ durch eine Steuerberatungsgesellschaft Klage beim Finanzgericht Münster (FG) erheben. Die Steuerberatungsgesellschaft erhob am 17.7.2023 per Telefax Klage. Das FG wies darauf hin, dass die Klage per „beSt“ hätte erhoben werden müssen. Die Steuerberatungsgesellschaft nahm die Klage nun zurück, übersandte den Rücknahmeschriftsatz jedoch per Post. Entscheidung: Das FG wies die Klage ab: Die Klage war unwirksam, weil sie am 17.7.2023 von einem Steuerberater per Telefax erhoben worden ist. Seit dem 1.1.2023 müssen Klagen, die durch einen Steuerberater eingereicht werden, per „beSt“ an das FG übermittelt werden. Das Gericht musste über die unwirksame Klage entscheiden, weil auch die Klagerücknahme unwirksam war. Denn die Klagerücknahme ist durch Brief per Post übermittelt worden, hätte aber ebenfalls per „beSt“ an das FG übermittelt werden müssen. Hinweise: Ist die Klagerücknahme wegen Verstoßes gegen die Übermittlungspflicht per „beSt“ unwirksam, könnte die Klagerücknahme noch wirksam per „beSt“ vorgenommen werden, indem ein Rücknahmeschriftsatz per „beSt“ hinterhergeschickt wird, bevor das Gericht entscheidet. Die Klagerücknahme hat den Vorteil, dass sich die Gerichtsgebühren halbieren. Weist das FG jedoch die Klage nach einer unwirksamen Klagerücknahme durch einen Gerichtsbescheid ab, weil sowohl die Klageerhebung als auch die Klagerücknahme unwirksam waren, kann zwar noch ein Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid gestellt und nun eine wirksame Klagerücknahme per „beSt“ übermittelt werden; dies führt wegen des bereits ergangenen Gerichtsbescheids aber nicht mehr zu einer Reduktion der Gerichtsgebühren. Die Pflicht, Schriftsätze per „beSt“ zu übermitteln, gilt auch für Schriftsätze, die von Steuerberatern an den Bundesfinanzhof übersandt werden. Sie gilt allerdings nicht, wenn ein nicht vertretener Steuerpflichtiger eine Klage oder einen Antrag beim FG erhebt. Für Rechtsanwälte gibt es eine vergleichbare Formvorschrift, und zwar bereits seit dem 1.1.2022: Sie müssen das sog. besondere elektronische Anwaltspostfach („beA“) verwenden. Quelle: FG Münster, Urteil vom 5.9.2023 – 9 K 1450/23 K, G, F; NWB
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Widerruf der Gestattung der Ist-Versteuerung bei Missbrauchsverdacht
Ist dem Unternehmer die sog. Ist-Versteuerung gestattet worden, kann das Finanzamt die Gestattung nicht deshalb widerrufen, weil der Unternehmer von seinen Vertragspartnern jahrelang kein Geld erhalten und deshalb keine Umsatzsteuer abgeführt hat, seine Vertragspartner aber die in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuer geltend gemacht haben. Hintergrund: Auf Antrag kann das Finanzamt einem Unternehmer unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, die sog. Ist-Versteuerung anzuwenden, sodass die Umsatzsteuer erst dann vom Unternehmer abzuführen ist, wenn er das Entgelt von seinem Kunden erhält. Bei der Soll-Versteuerung muss er die Umsatzsteuer hingegen bereits dann abführen, wenn er seine Leistung erbracht hat, ohne dass es auf die Bezahlung durch den Kunden ankommt. Sachverhalt: Das Finanzamt hatte dem Kläger im Jahr 1987 die sog. Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt des Widerrufs gestattet, sodass er die Umsatzsteuer erst abführen musste, wenn seine Rechnungen bezahlt werden. Der Kläger war als Geschäftsführer für mehrere GmbH unternehmerisch tätig und stellte ihnen seine Geschäftsführerleistungen in Rechnung und wies Umsatzsteuer gesondert aus. Die GmbH überwiesen die Rechnungsbeträge jahrelang nicht, machten aber die Vorsteuer geltend. Das Finanzamt stellte dies bei einer Außenprüfung im Jahr 2015 fest und widerrief die Gestattung der Ist-Versteuerung ab 2016. Das Finanzamt begründete dies mit einer missbräuchlichen Verwendung der Gestattung. Hiergegen klagte der Kläger. Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) gab der Klage statt: Zwar stand die Gestattung der Ist-Versteuerung unter dem Vorbehalt eines Widerrufs. Der Widerruf darf aber nicht aus sachwidrigen Gründen erfolgen. Im Streitfall war die Begründung des Widerrufs sachwidrig. Denn das Finanzamt ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die GmbH, für die der Geschäftsführer unternehmerisch tätig war, die Vorsteuer aus den Rechnungen des Klägers auch ohne Bezahlung der Rechnung geltend machen konnten. Nach der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfolgen der Vorsteuerabzug und die Entstehung der Umsatzsteuer zeitgleich. Die GmbH könnten nach dieser Rechtsprechung die Vorsteuer daher erst dann abziehen, wenn sie die Rechnungen bezahlt haben und der Kläger dann auch die Umsatzsteuer abführen muss. Zwar wird in Deutschland der Vorsteuerabzug nicht nur bei der Soll-Versteuerung, sondern auch bei der Ist-Versteuerung zugelassen, wenn die Leistung ausgeführt worden ist und eine ordnungsgemäße Rechnung vorliegt; auf die Bezahlung der Rechnung kommt es also nicht an. Nach dem EuGH ist aber ein zeitlicher Gleichklang zwischen Vorsteuerabzug und Entstehung der Umsatzsteuer erforderlich. Der Umstand, dass die GmbH die Vorsteuer schon vor der Zahlung geltend gemacht haben, beruht also nicht auf einem Missbrauch, sondern auf einer unzutreffenden Umsetzung des europäischen Mehrwertsteuerrechts durch den deutschen Staat. Hinweise: Bei den GmbHs, für die der Kläger tätig gewesen ist, dürfte es sich um „nahestehende“ Gesellschaften gehandelt haben, da eine jahrelange Nichtzahlung von Rechnungen unter fremden Dritten kaum akzeptiert werden dürfte und da die GmbH die Rechnungsbeträge auf Verrechnungskonten gebucht haben. Der BFH hat eine abschließende Entscheidung über den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus der Rechnung eines Ist-Versteuerers nicht getroffen, sondern nur über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs entschieden. Dennoch bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber tätig werden wird, um im Fall der Ist-Versteuerung zu verhindern, dass die Vorsteuer deutlich früher geltend gemacht wird, als die Umsatzsteuer an das Finanzamt abgeführt wird. Bei der sog. Soll-Versteuerung gibt es dieses Problem nicht, weil bei ihr ein zeitlicher Gleichklang besteht. Denn die Umsatzsteuer entsteht mit der Ausführung der Leistung, und der Leistungsempfänger kann mit der Ausführung der Leistung auch die Vorsteuer geltend machen, sofern er über eine ordnungsgemäße Rechnung verfügt. Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 5/21; NWB
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Wechsel eines Landwirts von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung
Wechselt ein Landwirt von der sog. Durchschnittssatzbesteuerung zur „normalen“ Umsatzbesteuerung (sog. Regelbesteuerung), kann er die Vorsteuer aus einer Eingangsleistung im Jahr vor dem Wechsel nicht abziehen. Dies gilt auch dann, wenn er beabsichtigt, die Eingangsleistung für Umsätze zu verwenden, die er nach dem Wechsel zur Regelbesteuerung ausführen will.Hintergrund: Landwirte, deren Umsatz im Vorjahr 600.000 € nicht überschritten hat, können die sog. Durchschnittssatzbesteuerung anwenden. Ihre Leistungen unterliegen dann einer Umsatzsteuer von aktuell 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %), und im Gegenzug wird eine pauschale Vorsteuer von 9 % (ab 1.1.2024 8,4 %) berücksichtigt. Ein weiterer Vorsteuerabzug ist nach dem Gesetz ausgeschlossen. Sachverhalt: Die Klägerin betrieb eine Landwirtschaft mit Milchkühen und wandte im Jahr 2021 die Durchschnittssatzbesteuerung an. Allerdings lag ihr Umsatz im Jahr 2021 über der Umsatzgrenze von 600.000 €, sodass sie im Jahr 2022 zur Regelbesteuerung wechseln musste. Im Jahr 2021 bezog sie von einem anderen Unternehmen eine Leistung für ihren Milchkuhbetrieb; im Rechnungsbetrag war die Umsatzsteuer in Höhe von ca. 1.400 € gesondert ausgewiesen. Die Klägerin machte die Vorsteuer im Jahr 2021 mit der Begründung geltend, dass sie die Eingangsleistung für regelbesteuerte Umsätze im Jahr 2022 verwenden will. Das Finanzamt erkannte die Vorsteuer nicht an und setzte die Umsatzsteuer für 2021 in Höhe von 0 € fest, indem es die Umsätze einer Umsatzsteuer von 10,7 % unterwarf und eine Vorsteuer von 10,7 % pauschal berücksichtigte (aktuell sind dies jeweils 9 %, ab 1.1.2024 8,4 %). Entscheidung: Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die hiergegen gerichtete Klage ab: Der Vorsteuerabzug im Jahr 2021 war ausgeschlossen, weil die Klägerin die Durchschnittssatzbesteuerung anwandte. Bei der Durchschnittssatzbesteuerung wird nur eine pauschale Vorsteuer anerkannt; ein darüber hinausgehender Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen. Der Vorsteuerausschluss gilt auch dann, wenn der Landwirt zur Regelbesteuerung wechselt und dieser Wechsel nicht freiwillig, sondern kraft Gesetzes wegen Überschreitung der Umsatzgrenze von 600.000 € erfolgt. Die Klägerin hätte die Vorsteuer nur dann im Jahr 2021 geltend machen können, wenn sie bereits im Jahr 2021 freiwillig zur Regelbesteuerung optiert hätte. Hinweis: Die Klägerin hat das Klageverfahren zwar verloren. Sie kann aber ab 2022 die Vorsteuer zu ihren Gunsten berichtigen, weil der Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung vom Gesetzgeber ausdrücklich als Grund für eine Vorsteuerberichtigung angesehen wird. Diese Berichtigung ermöglicht im Ergebnis einen Abzug der Vorsteuer, soweit das im Jahr 2021 angeschaffte Wirtschaftsgut ab 2022 für steuerpflichtige Umsätze, die der Regelbesteuerung unterliegen, verwendet wird. Quelle: BFH, Urteil vom 12.7.2023 – XI R 14/22; NWB